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Berufliche Ausbildung im Wandel der Arbeitswelt

Für den deutschen Arbeitsmarkt ist die berufliche Ausbildung ein wichtiger Grundpfeiler. Doch dem Erfolgsmodell drohen Engpässe.

Ein Erfolgsmodell, dessen Wurzeln bis ins Mittelalter zurückreichen – das ist die berufliche Ausbildung in Deutschland. Damals gab es die ersten Lehrlinge in handwerklichen und kaufmännischen Berufen. Eine Verankerung als dual organisierte Ausbildung, in der Betrieb und Bildungsträger miteinander kooperieren, setzte in diesen Berufen Ende des 19. Jahrhunderts ein (siehe Pätzold/Wahle 2013). Genau diese Kooperation ist bis heute die Essenz der dualen Ausbildung. Denn sie erlaubt den Auszubildenden das gleichzeitige und abgestimmte Erlernen von theoretischem Hintergrundwissen und einem praktischen Umgang mit den täglichen Herausforderungen ihres Berufs – ein Türöffner auf dem Arbeitsmarkt. Auch bei schulischen Berufsausbildungen sind die Praxisphasen im Betrieb wichtiger Bestandteil, obwohl die Auszubildenden keinen Ausbildungsvertrag mit einem Betrieb eingehen, sondern Praktika machen.

Händeringende Suche nach beruflich Qualifizierten – die Lücke wächst

Händeringende Suche nach beruflich Qualifizierten – die Lücke wächst

Für den deutschen Arbeitsmarkt ist die berufliche Ausbildung ein wichtiger Grundpfeiler. Mit ihr besteht das Arbeitsangebot in Deutschland zu einem großen Teil aus gut qualifizierten Fachkräften  , die aufgrund ihrer praxisrelevanten Kompetenzen breit einsetzbar sind. Beruflich Qualifizierte stellen momentan fast zwei Drittel aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland. Jedoch: Aktuelle Prognosen rechnen damit, dass es die größten Lücken an Fachkräften  in Zukunft gerade bei beruflich Qualifizierten geben wird (siehe z. B. interaktives QuBe-Datenportal des BIBB) – auch weil mehr Personen mit einer beruflichen Ausbildung in den kommenden Jahren in Rente gehen als Auszubildende nachrücken. Konkret heißt das: Während Betriebe händeringend nach qualifizierten Mitarbeitenden mit beruflicher Ausbildung suchen, werden viele dieser Stellen aufgrund des mangelnden Angebots an Bewerberinnen und Bewerbern künftig unbesetzt bleiben müssen.

Motive für die Ausbildungswahl

Einkommen, Karrieremöglichkeiten, gesellschaftliche Wertschätzung – Motive für die Ausbildungswahl

Ein Grund dafür, dass die Zahl an Anfängerinnen und Anfängern in vielen Ausbildungsberufen zunehmend hinter dem Bedarf zurückbleibt, liegt – neben dem demografischen Wandel – im Entscheidungsverhalten der Jugendlichen. Viele halten es für attraktiver, ein Studium zu beginnen – und auch immer mehr Jugendliche haben die Möglichkeit dazu, da immer mehr die Hochschulreife erwerben. Aber: Fundamental sind veränderte Vorstellungen innerhalb der Gruppe der ausbildungsinteressierten Jugendlichen. Das heißt: höhere Erwartungen an Lohn und Karrieremöglichkeiten, die mit der Tendenz zu höheren Schulabschlüssen der Bewerberinnen und Bewerber einhergehen, aber auch neue Erwartungen an Prestige und gesellschaftliche Wertschätzung. So ziehen viele nur die Ausbildungsberufe in Erwägung, die diesen Erwartungen gerecht werden.

Und auch für Jugendliche ohne höhere Schulabschlüsse, für die ein Studium also keine Option ist, ist der Weg in eine berufliche Ausbildung nicht unbedingt ein Selbstläufer. Vor bestimmten Berufen schrecken sie zunehmend zurück, weil die Ausbildungsbedingungen und Übernahmechancen nicht als gut gelten. Schulabsolventinnen und -absolventen mit Hauptabschluss stehen außerdem teils vor der Herausforderung, dass bestimmte Betriebe mindestens einen mittleren Abschluss als Kriterium vorsehen – wobei es sehr große Unterschiede zwischen den einzelnen Berufen gibt.

Steigendes Interesse im Sozialbereich – doch der Bedarf erhöht sich stärker 

Außerhalb des Trends sinkender Bewerbungen liegt die schulische Berufsausbildung in Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialberufen: Hier ist die Zahl der Anfängerinnen und Anfänger in den letzten Jahren stark gestiegen, und zwar um fast ein Drittel seit 2005. Vor allem in der Pflege und Erziehung hängt das damit zusammen, dass das Angebot an Plätzen massiv ausgebaut wurde, um dem demografischen Wandel und dem 2013 eingeführten Rechtsanspruchs auf Kinderbetreuung gerecht zu werden. Allerdings steigt auch der künftige Bedarf an Fachkräften  in diesen Berufen – und liegt damit höher als der aktuelle Andrang an Bewerberinnen und Bewerbern. Dem Rechnung tragen sollen politische Bemühungen, diesen Berufen mehr Bedeutung beizumessen – durch Kampagnen, aber auch durch verbesserte Bedingungen wie Schulgeldfreiheit, höhere Vergütungen und bessere Aufstiegsmöglichkeiten, wie es etwa das neue Pflegeberufegesetz vorsieht.

Die Rolle der Berufsorientierung

Die Rolle der Berufsorientierung – Frühzeitiges Ausprobieren lohnt

Angesichts zu weniger Bewerberinnen und Bewerber und auch angesichts nach wie vor hoher Abbruchsquoten in vielen Ausbildungsberufen richtet sich der Blick immer stärker auf das Thema Berufsorientierung. Von frühzeitiger Information über Berufe und Werdegänge und von mehr Möglichkeiten des praktischen Ausprobierens erhoffen sich Betriebe, Schulen und die Politik ein passgenaueres Zusammenfinden von Jugendlichen und Ausbildungsbetrieben.

Junge Menschen mit besonderen Herausforderungen – hier ist Unterstützung gefragt

Außerdem gibt es viele Jugendliche, die zwar grundsätzlich gern eine berufliche Ausbildung machen möchten, die dabei aber vor Hürden stehen: Fehlendes Wissen über ihre Möglichkeiten, Unsicherheit über ihre persönliche Eignung, Sprachbarrieren oder Einschränkungen wie eine Lernbehinderung. Um diesen Jugendlichen Chancen zu bieten, richtet sich der Blick der Betriebe und der Politik auch auf die Frage, wie Jugendliche unterstützt werden können – während der Ausbildung, aber auch bereits bei der Vorbereitung und Suche nach dem für sie passenden Ausbildungsplatz.

Weiterentwicklung des Ausbildungsmodells – nur so behält es seine Schlüsselrolle

Die berufliche Ausbildung schafft gute Grundlagen, um mit einer sich wandelnden Arbeitswelt umzugehen. Dafür wurde Sie in den letzten Jahren immer wieder reformiert. Damit sie auch in Zukunft ihrer Schlüsselrolle für die Arbeitswelt gerecht werden kann, muss sie jedoch weiterentwickelt werden. Ansätze zu ihrer Modernisierung zielen auf verschiedene Ebenen ab: Auf die Integration digitaler Kompetenzen, auf die regelmäßige und umfassende Überarbeitung von Ausbildungsordnungen, auf neue Organisationsformen bei der Verzahnung von Praxis und Theorie. Und nicht zuletzt auf die Voraussetzungen in den Betrieben, wo sich auch die Ausbilderinnen und Ausbilder neuen Anforderungen gegenübersehen. Wenn die berufliche Ausbildung auch in Zukunft ein zentraler Ort der Vermittlung zukunftsrelevanter Kompetenzen ist, zahlt dies nicht zuletzt auf ihre Attraktivität ein.