Knapp 72 Prozent der 55- bis 65-Jährigen sind in Deutschland nach aktuellen Daten des Statistischen Bundesamts erwerbstätig. So viele wie nie zuvor – und wie in nur wenigen anderen Ländern. Die Gründe: Einerseits gibt es immer mehr Ältere, andererseits haben sich die Regelungen des Rentensystems zum Übergang in den Ruhestand in den letzten beiden Jahrzehnten stark verändert. Durch politische Entscheidungen wie die Anhebung des Renteneintrittsalters werden die Altersrenten erst später gezahlt.
Erwerbsaustritt und Renteneintritt sind allerdings nicht dasselbe. Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleiben daher nicht immer bis zum Renteneintritt im Beruf bzw. Betrieb.
Während Betriebe die Fähigkeiten älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lange unterschätzt haben, erkennen heute immer mehr Arbeitgeber ihre Potenziale. Auch die Forschung zeigt: Selbst wenn sich das Leistungsvermögen mit dem Älterwerden wandelt, sind ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht grundsätzlich weniger, sondern allenfalls in anderen Bereichen leistungsfähig als ihre jüngeren Kolleginnen und Kollegen (Naegele, 2004, S. 22). Auch für das immer noch gängige Vorurteil, dass die Produktivität der Beschäftigten mit dem Alter grundsätzlich zurückgeht, gibt es keine wissenschaftlichen Belege (Heckel, 2017; Wild-Wall et al., 2009, S. 299;). Vielmehr kommt es bei der Arbeitsproduktivität auf eine gute Mischung an: ein Team von jüngeren und älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erzielt oft die besten Ergebnisse (Hammermann et al., 2019).
Mit dem fortschreitenden demografischen Wandel kommt es in den Betrieben künftig immer mehr darauf an, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch im Alter zu halten. Je nach Berufsprofil gehen die Möglichkeiten dabei auseinander: Dachdeckerinnen und Dachdecker können wie Beschäftigte anderer körperlich fordernder Berufe nicht so lange arbeiten wie Büroangestellte. Und auch ältere Beschäftigte anderer Berufsgruppen können oder wollen in vielen Fällen nicht bis zur Rente im selben Beruf bleiben.
Neben diesen persönlichen Voraussetzungen hängt die Beschäftigungsfähigkeit Älterer auch von staatlichen Rahmenbedingungen oder Förderprogrammen und der Gestaltung des Arbeitsplatzumfelds ab. Bei letzterer geht es um ein lebensphasenorientiertes und demografiefestes Personalmanagement, zu dem beispielsweise altersgerechte Arbeitsplatz- und Arbeitszeitgestaltung, der gezielte Einsatz altersgemischter Teams, Umschulungen und Weiterbildungen, Arbeitsorganisation, Gesundheitsförderung, Laufbahngestaltung und Unternehmenskultur gehören – Investitionen in den langfristigen Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und die Potenziale älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Bislang nutzen allerdings wenige Betriebe die vorhandenen Personalstrategien vollständig aus, um die Beschäftigungsfähigkeit Älterer zu erhalten. Nach den Daten des IAB-Betriebspanels fördert nur knapp jeder fünfte Betrieb gezielt ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wird Altersteilzeit nicht berücksichtigt, bieten sogar nur rund 15 Prozent mindestens ein betriebliches Angebot zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit für Ältere an. Weiterbildungsmaßnahmen sind am weitesten verbreitet, doch mit 7 Prozent beziehen wenige Betriebe ältere Beschäftigte explizit in die Fort- und Weiterbildungen ein (Bellmann et al., 2018). Und auch wenn Weiterbildung allen Beschäftigten offensteht, erhalten sie ab 50 Jahren im Schnitt seltener Weiterbildungsangebote ihres Arbeitgebers.