Wenn Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ihre Beschäftigten mit vorsorgenden Angeboten unterstützen, können sie sich produktive und leistungsfähige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bis ins Alter sichern. Professor Frerich Frerichs, Leiter des Fachgebiets „Altern und Arbeit“ an der Universität Vechta, erklärt, was das betriebliches Alters- und Alternsmanagement erfolgreich macht und wie Betriebe den Leistungswandel nutzen können, bei dem im Alter bestimmte Fähigkeiten zunehmen und andere abnehmen.
Herr Professor Frerichs, wie können Betriebe ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bis ins Alter arbeitsfähig und produktiv halten?
Frerich Frerichs: Dazu ist eine Doppelstrategie nötig: Betriebe sollten nicht erst agieren, wenn es zu spät ist - also bestimmte Leistungsveränderungen stattgefunden haben. Dann spricht man von Altersmanagement , wobei die Älteren im Fokus stehen. Das sollte vom Alternsmanagement begleitet werden, indem der Betrieb den Prozess des Älterwerdens im Betrieb frühzeitig mit präventiven Angeboten begleitet. Dabei geht es um drei Kernfelder: die Gesundheit im Sinne der körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit, die Qualifikation und die Motivation. In der Wissenschaft sprechen wir heute vom Leistungswandel: bestimmte Leistungsbestandteile nehmen zu, andere bleiben gleich, weitere können auch abnehmen. Dieses gesamte Leistungsportfolio muss ein Betrieb immer wieder mit dem ins Verhältnis setzen, was er braucht. In einem Verwaltungsberuf brauchen Sie nicht unbedingt einen körperlich fitten Mitarbeiter - das ist im Produktionsbereich oft anders. In einigen Berufen wie den Pflege- oder Bau-Berufen stellt sich oft die Frage, ob die körperlich belastende Tätigkeit über 30 bis 40 Jahre ausgeübt werden kann oder ob hier eine Mischung von Tätigkeiten besser wäre, um Erwerbsarbeit und Produktivität zu erhalten.
Professor Frerichs zu Beispielen für den Leistungswandel älterer Beschäftigter
Professor Frerichs forscht vor allem in den Bereichen Arbeitsmarkt und Strukturwandel, Betriebe im demografischen Wandel und Arbeit und Lebenslagen im Erwerbsverlauf. Aktuell ist er Teil des Forschungsprojekts zu Exklusion und Ungleichheit im späten Arbeitsleben für das Swedish Research Council for Health, Working Life and Welfare (FORTE).
Woran liegt es, wenn in der Praxis nicht alle Unternehmen Alternsmanagement betreiben?
Frerichs: Es gibt es Betriebe, die sehr jung sind und keinen Bedarf haben, weil sie gar keine Älteren haben. Dann haben wir wie in der Bankwirtschaft aber auch Branchen mit einem sehr hohen Anteil, die allerdings Personalabbau betreiben und die älteren Beschäftigten deshalb lieber mit einem goldenen Handschlag verabschieden, statt sie produktiv zu integrieren. Und schließlich haben wir Betriebe, die vor Hemmnissen stehen: Defizite im Personalmanagement, eine hohe körperliche Belastung und ein hoher Anteil an älterem Personal, was eine Umsetzung des Alternsmanagements schwierig macht, und fehlende Ressourcen, mit denen kleine und mittlere Betriebe oft zu kämpfen haben - obwohl sie wie die Handwerksbetriebe sehr nah an ihren Beschäftigten sind. Die bräuchten hier tatsächlich mehr Unterstützung. Allein an Informationen zu kommen, was möglich ist und wie das umzusetzen ist, ist für solche kleinen Betriebe schon schwierig. In der Gesundheits- und der Qualifikationsförderung gibt es eine große Vielfalt an Instrumenten. Unabdingbar ist aus meiner Sicht die alternsgerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen - durch ergonomische Verbesserungen beispielsweise oder eine andere Arbeitszeitgestaltung. Auf der anderen Seite sind auch die Beschäftigten gefordert, Förderangebote zur Gesundheit oder auch Qualifikation wahrzunehmen.
Professor Frerichs zur Laufbahngestaltung als Maßnahme des Alternsmanagements
Was können ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch tun, um beschäftigungsfähig zu bleiben? Und welche Rolle spielen die Sozialpartner?
Frerichs: Das lebenslange Lernen spielt hier eine große Rolle. Das fängt aus meiner Sicht bei der Ausbildung an. Hier müsste es schon eine Orientierung geben, welche Tätigkeitsfelder es gibt, so dass Beschäftigte früh verschiedene Felder kombinieren können, Veränderungsmöglichkeiten wahrnehmen und erkennen. Und es sollte eine institutionalisierte Laufbahnberatung geben, die den betroffenen Personen Umstiegsmöglichkeiten anbietet und sie begleitet. Die Bereitschaft der oder des Einzelnen ist essenziell, aber es muss auch Unterstützung geben. Und auch Sozialpartner haben dort, wo sie vertreten sind, einen großen Einfluss auf die Integration älterer Beschäftigter. So gibt es inzwischen verschiedene Demografie-Tarifverträge, die auf eine höhere Sensibilität in den Betrieben abzielen. Das fängt zum Beispiel damit an, dass verpflichtend eine Altersstrukturanalyse durchgeführt werden muss. Damit wird den Betrieben frühzeitig klar, wann sie die Integration Älterer angehen sollten.
Professor Frerichs zu sozialen Ungleichheiten bei der Integration älterer Beschäftigter