Nachhaltiges Handeln erfordert entsprechende Fertigkeiten und Wissen. Im Zuge des „Greenings“ der Wirtschaft verändern sich damit sowohl fachliche Kompetenzanforderungen als auch teilweise die nötigen formalen Qualifikationen. Was das konkret bedeutet, wird nachfolgend beleuchtet.
Grundsätzlich gilt: Über eine gute fachliche Grundausbildung hinaus sind in vielen Branchen heute oft (zusätzliche) grüne Kompetenzen (Green Skills ) gefordert – wie zum Naturschutz, zu umweltfreundlichen Baumaterialien, zur Kreislaufwirtschaft, Energiespartechnik oder zu behördlichen Umweltauflagen.
Wie wichtig Green Skills im Beruf sind, wollten Wissenschaftler der Universität Bamberg genauer wissen. Für die Studie „The Greening of Jobs“ haben sie weit über 4.000 Berufsbeschreibungen auf der Website BERUFENET der Bundesagentur für Arbeit unter die Lupe genommen. Ihr Vergleich für die Jahre 2012 und 2016 ergab:
Zum Begriff Green Skills (grüne Kompetenzen) gibt es vielfältige Erklärungsansätze. Bezogen auf das Berufsleben gehören dazu alle Fähigkeiten und Kenntnisse, die notwendig sind, um Produkte, Dienstleistungen oder Produktions- und Verwaltungsabläufe auf die Herausforderungen des Klimawandels sowie die damit verbundenen Vorgaben und Vorschriften auszurichten.
Neben berufsfachlichen Kompetenzen kommen berufsübergreifende Querschnittskompetenzen zum Thema Umweltschutz hinzu. Laut einer Definition der OECD reichen diese von entsprechenden Führungs- und Managementfähigkeiten über Innovationsvermögen in Bezug auf grüne Herausforderungen bis hin zum grundsätzlichen Umweltbewusstsein und der Bereitschaft, sich mit nachhaltiger Entwicklung lernend auseinanderzusetzen.
Solche Kompetenzen sind je nach Tätigkeit mal mehr, mal weniger gefordert. Fest steht jedoch: Unabhängig vom jeweiligen Wirtschaftszeig und vom Qualifikationsniveau jedes Einzelnen steigt der Bedarf an Green Skills im Berufsleben. Das gilt auch – aber eben nicht nur – mit Blick auf die Energiewende in Deutschland.
Facharbeitskräfte, Akademikerinnen und Akademiker, Ungelernte – sie alle werden gebraucht, damit die Energiewende weiter Fahrt aufnimmt. Eine Untersuchung des Umweltbundesamtes zeigt zudem: Die Anteile der jeweiligen Qualifikationsniveaus unterscheiden sich in „grünen“ Branchen (beispielsweise Entsorgungswirtschaft, Baugewerbe, Landwirtschaft) kaum von denen in der Gesamtwirtschaft. Da wie dort sind im Schnitt mehr als die Hälfte aller Beschäftigten Fachkräfte mit beruflicher Ausbildung, etwa jeder Sechste hat einen akademischen Hintergrund. Eine Ausnahme sind Architektur- und Ingenieurbüros, die überdurchschnittlich viele Akademikerinnen und Akademiker beschäftigen.
Für Berufe, in denen grüne Kenntnisse erforderlich sind, wird eine überdurchschnittlich gute Jobentwicklung erwartet – und zwar auf allen Qualifikationsstufen. Das gilt gerade auch für den Baubereich. Hier gehen beispielsweise energetische Gebäudesanierung und klimafreundliches Bauen mit einer hohen Nachfrage nach Fachkräften einher. Neben akademischen Qualifikationen im Bereich der Bauplanung sind vor allem der Bedarf an beruflich Qualifizierten für die Bauausführung sehr hoch – etwa in der Gebäudetechnik (z. B. Elektronikerin und Elektroniker und im Hochbau (z. B. Stahlbetonbauerin und Stahlbetonbauer oder Dachdeckerin und Dachdecker).
Das ergab unter anderem eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Sie zeigt auch, in welchen Berufen sich die Arbeitskräftenachfrage auf längere Sicht besonders verändert.
Wie die Jobentwicklung letztlich konkret ausfällt, bleibt abzuwarten. Offen ist unter anderem die Frage, ob es in den vielen Berufen, die für die Energiewende wichtig sind, überhaupt genug Fachkräfte geben wird. Schließlich herrschte hier schon in der Vergangenheit häufig Fachkräftemangel, unter anderem in vielen Handwerks- und Bauberufen sowie bei Architektinnen und Architekten, öffentlichen Planerinnen und Planern, Ingenieurinnen und Ingenieuren. Hinweise auf künftige Fachkräfteengpässe gibt unter anderem eine gemeinsame Analyse des Wirtschaftsforschungsunternehmens Prognos und von ifeu (Institut für Energie- und Umweltforschung). Nachfolgend Kernergebnisse zu einigen ausgewählten Berufsgruppen.
Ausgewählte Berufsgruppen nach Sektoren | Arbeitskräftenachfrage, in Tsd. Erwerbstätigen | Engpass (Abweichung Angebot von Nachfrage) | Qualifikationsniveaus 2020, Anteile | ||
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2020 | 2030 | 2030 | akademisch | beruflich | |
Gebäude | |||||
Bauplanung und -überwachung, Architektur | 364 | 365 | -12% | 74% | 22% |
Gebäudetechnik | 424 | 405 | -13% | 5% | 79% |
Bauplanung und -überwachung, Architektur | 364 | 365 | -12% | 74% | 22% |
Ver- und Entsorgung | 205 | 198 | -11% | 10% | 70% |
Industrie | |||||
Metallbearbeitung | 602 | 569 | -11% | 2% | 72% |
Maschinenbau- und Betriebstechnik | 1.710 | 1.663 | -12% | 13% | 66% |
Fahrzeug-, Luft-, Raumfahrt-, Schiffbautechnik | 614 | 573 | -10% | 11% | 74% |
Mechatronik und Automatisierungstechnik | 174 | 178 | -20% | 13% | 60% |
Techn. Zeichnen, Konstruktion, Modellbau | 242 | 233 | -16% | 17% | 73% |
Technische Produktionsplanung, -steuerung | 670 | 695 | -20% | 26% | 64% |
IT-Systemanalyse, Anwenderberatung, IT-Vertrieb | 209 | 218 | -17% | 57% | 34% |
IT-Netzwerktechnik, -Koordination, -Administration, -Organisation | 218 | 222 | -19% | 39% | 54% |
Softwareentwicklung und Programmierung | 346 | 385 | -21% | 63% | 27% |
Verkehr | |||||
Überwachung und Steuerung Verkehrsbetrieb | 85 | 87 | -19% | 15% | 75% |
Kaufleute - Verkehr und Logistik | 318 | 323 | -19% | 13% | 72% |
Fahrzeugführung im Eisenbahnverkehr | 37 | 35 | -15% | 6% | 86% |
Bau- und Transportgeräteführung | 221 | 211 | -12% | 1% | 68% |
Arbeitskräftenachfrage 2030 im G95-Szenario (Senkung der nationalen Treibhausgasemissionen bis 2050 um 95% gegenüber 1990)
Ausgewählte Berufsgruppen: mit hohen vorhergesagten Abweichungen bei Arbeitskräfteangebot und -nachfrage.
Quelle: Prognos/ifeu, 2020: Abschätzung der künftigen Arbeitskräftenachfrage und potenzieller Engpässe. Impulsvortrag im Rahmen der Roadmap Energieeffizienz 2050
Durch die Energiewende entsteht in vielen Ausbildungsberufen nicht nur ein steigender Fachkräftebedarf. In der Ausbildung müssen teilweise auch neue beziehungsweise zusätzliche Kenntnisse vermittelt werden. Dazu gehören beispielsweise Wissen zu neuen, klimafreundlichen Technologien, und übergreifende Kompetenzen etwa zum Umgang und Einsatz digitaler Technik. Manche Ausbildungsberufe sind bereits entsprechend modernisiert worden – wie beispielsweise Elektroniker bzw. Elektronikerin für Gebäude- und Infrastruktursysteme oder Anlagenmechanikerin und Anlagenmechaniker. Für die Betriebe ist es eine Herausforderung, den Auszubildenden heute bereits die Kompetenzen zu vermitteln, die in Zukunft an Bedeutung gewinnen.
Dr. Monika Hackel, Leiterin der Abteilung Struktur und Ordnung der Berufsbildung im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), unterstreicht: In der dualen Berufsausbildung wurden bereits wichtige Schritte eingeleitet, um grüne und digitale Kompetenzen zu fördern. Die Expertin sieht im Thema Nachhaltigkeit nicht zuletzt eine Chance, die Berufsausbildung wieder attraktiver zu machen.
„Ohne qualifizierte Fachkräfte können die Ziele der Energiewende nicht erreicht werden. Schon jetzt herrscht in vielen dafür wichtigen Berufen seit Jahren einen Fachkräftemangel – bestes Beispiel ist der Baubereich. Wenn jetzt also Tempo gemacht werden soll bei der Energiewende, muss auch dafür Sorge getragen werden, dass durch entsprechende Aus- und Weiterbildung genügend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung stehen.
Monika Hackel leitet die Abteilung „Struktur und Ordnung der Berufsbildung“ im BIBB. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen die Qualifikationsforschung und Innovation in der beruflichen Bildung sowie die Durchlässigkeit in der beruflichen Aus- und Weiterbildung.
Mut macht vor diesem Hintergrund, dass Umweltschutz und Nachhaltigkeit neben der Digitalisierung in der dualen Berufsausbildung weiter wachsende Bedeutung haben: Entsprechende Kompetenzen werden künftig in jedem Ausbildungsberuf vermittelt, gemeinsam mit den berufsspezifischen Fachkenntnissen. Verbildlich festgelegt ist das in den neuen sogenannten Standardberufsbildpositionen. Sie wurden von allen für berufliche Bildung Verantwortlichen – Bund, Kultusministerien der Länder, Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften – gemeinsam mit dem BIBB erarbeitet und gelten ab August 2021. Dieser Schritt trägt nicht zuletzt dazu bei, die Ausbildung für junge Menschen wieder attraktiver zu machen.“
Der Trend hin zu mehr grünen Tätigkeiten wird durch die Digitalisierung noch verstärkt. Sie beschleunigt und unterstützt zahlreiche gesellschaftliche Prozesse – auch die Gestaltung des ökologischen Wandels. In diesem Zusammenhang wird auch von einer „doppelten Transformation“ der Wirtschaft gesprochen, also von Digitalisierung und Dekarbonisierung zugleich.
Ein Beispiel dazu aus dem Bereich nachhaltige Energieversorgung: Hierfür hat die Digitalisierung unter anderem eine Schlüsselrolle, weil sie „Smart Grids“, also intelligente Stromnetze ermöglicht. So entstehen neue Jobs etwa im Bereich Energiemanagement. Oder der Ausbau der CO2-armen Mobilität: Hier gäbe es kein Fortkommen ohne die digitalen Kompetenzen etwa einer Kraftfahrzeugmechatronikerin oder eines Kraftfahrzeugmechatronikers im Bereich der System- und Hochvolttechnik.
Aus energetischer Sicht bringt die Digitalisierung allerdings nicht nur Vorteile. So ist der Energieverbrauch sogenannter Serverfarmen – also großer Rechenzentren, die das Rückgrat der digitalen Vernetzung darstellen – erheblich. Und solange der Strom dafür zum großen Teil aus fossilen Energieträgern wie Kohle oder Gas gewonnen wird, trägt dies auch zum Klimawandel bei.