Die Ausbildung nachholen: Das lohnt sich – auch im späteren Arbeitsleben. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung. Für Menschen ohne Ausbildung ist das Nachholen einer vollständigen Berufsausbildung jedoch oft schwierig. Modulare Teilqualifizierungen können hier eine sinnvolle Alternative auf dem Weg zum Berufsabschluss darstellen, wie die Studie zeigt:
Zwischen 2014 und 2019 verdreifachte sich die Zahl der von der Bundesagentur für Arbeit (BA) geförderten Teilqualifizierungen von rund 5.000 auf 15.000 Teilnahmen pro Jahr. Im von der Corona-Pandemie geprägten Jahr 2020 ging die Zahl wieder leicht zurück. Mit 30.000 bis 50.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern pro Jahr machen zweijährige Umschulungen jedoch weiterhin den größten Anteil an BA-geförderten abschlussorientierten Fortbildungen aus.
72 Prozent der Teilnehmenden einer von der BA zwischen 2010 und 2020 geförderten Teilqualifizierung fanden in den folgenden zwölf Monaten eine Beschäftigung. Die Eingliederungsquote liegt damit ähnlich hoch wie bei einer zweijährigen Umschulung . Grundsätzlich ist sie bei Männern leicht höher als bei Frauen. Großen Einfluss hat die vorherige Beschäftigungssituation: Personen, die zuvor arbeitslos waren, finden auch nach Abschluss seltener eine Beschäftigung.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer , die mit mehr als 25 Jahren einen vollständigen Berufsabschluss nachholen, haben im Durchschnitt deutlich höhere Einkommen und Beschäftigungschancen als Gleichaltrige ohne Berufsabschluss. Modulare, aufeinander aufbauende Teilqualifikationen eröffnen Menschen ohne Berufsausbildung neben kurzfristiger Beschäftigung auch die Möglichkeit, langfristig einen Berufsabschluss nachzuholen.
Von der BA geförderte Angebote zur Teilqualifizierung dauern etwa zwei bis sechs Monate und kosten durchschnittlich 5.000 bis 9.000 Euro. Die Kosten einer zweijährigen Umschulung liegen dagegen bei bis zu 40.000 Euro. Teilqualifikationen weisen daher – mit Blick auf die Eingliederungsquote – die beste Kosten-Nutzen-Bilanz aller von der BA geförderten abschlussorientierten Weiterbildungsangebote auf.
81 Prozent der Unternehmen gaben in einer repräsentativen Befragung der Bertelsmann-Stiftung aus 2019 an, bei Bedarf auch eine Person mit Kompetenzen in nur einem oder mehreren beruflichen Einsatzfeldern einzustellen. Dies gilt für die meisten Berufe und Branchen. Es gibt jedoch Ausnahmen: In Berufen wie Kraftfahrzeugmechatroniker/-in oder Klempner/-in werden meist vollständige Berufsprofile benötigt, um selbständig Arbeitsaufgaben übernehmen zu können.
Aufgrund der stärkeren Arbeitsteilung und Spezialisierung haben größere Unternehmen einen höheren Bedarf an Teilqualifizierten, wie die Befragung von 2019 zeigt. In kleineren Unternehmen brauchen Beschäftigte dagegen häufig ein breiteres Kompetenzspektrum: Beispielsweise müssen oft alle Beschäftigten in kleineren Handwerksbetrieben Montage-, Installations- und Reparaturarbeiten beherrschen.
48 Prozent der befragten Unternehmen gaben 2019 an, die Kompetenzen von Bewerber/-innen ohne Berufsabschluss schwer einschätzen zu können. Anerkannte und zertifizierte Teilqualifikationen wie etwa die von der BA geförderten Qualifizierungsangebote machen die Kompetenzen und Fähigkeiten der Bewerber/-innen für die Unternehmen besser nachvollziehbar (siehe Infobox).
Berufsanschlussfähige Teilqualifikationen werden als abschlussorientierte Weiterbildungsmaßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen von der BA gefördert. Dafür müssen sie vier grundlegende Kriterien erfüllen:
Mit einer vorgeschriebenen Dauer von zwei bis sechs Monaten sind die von der BA geförderten Teilqualifikationen optimal auf die Zielgruppe der Geringqualifizierten abgestimmt. Insgesamt bestehen je Ausbildungsberuf fünf bis acht Teilqualifikationen mit einem zeitlichen Gesamtumfang von etwa zwei Dritteln der Erstausbildungszeit. Der Berufsabschluss kann schließlich nach Abschluss der einzelnen Teilqualifikationen über eine Externenprüfung erzielt werden.
Neben der Förderung von Teilqualifizierungen im Rahmen abschlussorientierter Weiterbildungsmaßnahmen fördert die Bundesagentur für Arbeit auch die Entwicklung von Teilqualifikationen. Aktuell bietet sie Teilqualifikationen in insgesamt sechs Ausbildungsberufen an.
Das Programm „Jobstarter Connect“ des BMBF fördert die Erprobung bundeseinheitlicher Teilqualifikationen in der Praxis. Bislang hat das Bundesinstitut für Berufsbildung Teilqualifikationen in 22 Ausbildungsberufen entwickelt und in 40 regionalen Pilotprojekten erprobt.
Die Arbeitgeberinitiative Teilqualifizierung bietet unter dem Qualitätssiegel „Eine TQ besser!“ Teilqualifikationen in 30 unterschiedlichen Ausbildungsberufen mit bundesweit einheitlichen Standards an. Die deutschen Arbeitgeberverbände, vertreten durch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), kooperieren dabei mit der Arbeitsgemeinschaft der Bildungswerke der Deutschen Wirtschaft (ADBW e. V.).
Das Projekt „CHANCEN NUTZEN! Mit Teilqualifikationen Richtung Berufsabschluss“ der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) unterstützt die Entwicklung und Umsetzung eines bundeseinheitlichen Angebots an Teilqualifikationen und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziell unterstützt. Bislang wurden für 12 Ausbildungsberufe Teilqualifikationen entwickelt.
Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt „ETAPP – bundesweit einheitliche Standards in der Teilqualifizierung“ erarbeitet Teilqualifikationen auf Grundlage bundesweit einheitlicher Qualitätsstandards. Bislang wurden Teilqualifikationen für zehn Ausbildungsberufe entwickelt.
Als Initiative des Kommunalen Bündnisses für Arbeit in Köln besteht das Kölner Bildungsmodell seit 2014 als Projekt zur modularen Qualifizierung von jungen Erwachsenen ab 25. Aktuell bietet es insgesamt sieben Ausbildungsberufe in Form von Teilqualifikationen an.