Was tue ich, wenn die Zukunftsaussichten in meinem Job nicht gut sind? Diese Frage stellen sich seit Anfang 2020 auch viele Menschen, deren Job lange Zeit Sicherheit und rosige Aussichten versprach. Denn die Corona-Pandemie hat einiges auf den Kopf gestellt. Das gilt ganz besonders für Gastronomie und Tourismus: Viele Selbständige haben dicht gemacht oder ihre Pläne angesichts der hohen Unsicherheit aufgeschoben. Viele Beschäftigte sind in Kurzarbeit - oder haben inzwischen eine Anstellung in einer anderen Branche gefunden. Zwar muss man unterscheiden zwischen den unmittelbaren Effekten durch zwischenzeitliche Berufsverbote (etwa im Friseurhandwerk) und möglichen langfristigen Verschiebungen (etwa hin zum Online-Handel), denn es ist momentan unklar, ob die Zukunftsaussichten auch bei den vorübergehend verbotenen Berufen längerfristig schlechter sind. Aus der finanziellen Not heraus und durch die Unsicherheit steigt jedoch auch dort die kurzfristige Wechselnotwendigkeit.
Auf dem Job-Portal LinkedIn gab es 2020 (März bis Mai) ganze 75 Prozent mehr Bewerbungen von Personen aus der Branche „Erholung und Tourismus“ als im Vorjahreszeitraum, das fand eine Auswertung des IAB heraus. Gleichzeitig gab es 60 Prozent weniger Bewerbungen auf solche Stellen. Branchen, in denen sich diese Suchenden bewarben, waren allen voran: der Einzelhandel, in dem viele Tätigkeiten eine inhaltliche Nähe zur Arbeit im Tourismus haben und in dem zumindest das Online-Geschäft boomt. Und die Gesundheitsbranche, in der händeringend mehr Personal gesucht wird. So stellte beispielsweise die Berliner Charité kurzerhand beschäftigungslose Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter als Hilfskräfte in der Pflege ein.
Quereinstiege in andere Berufe waren schon vor der Pandemie alles andere als ein Randphänomen: Insgesamt jeder dritte Jobwechsel war mit der Aufnahme eines anderen Berufs verbunden (siehe Roth, 2019). In den Fertigungsberufen ist diese Quote traditionell am höchsten, das heißt aus diesen Berufen wechseln besonders viele Beschäftigte in eine andere Branche. Am geringsten ist die Quote in den Gesundheitsberufen, hier bleiben die meisten Jobwechslerinnen und Jobwechsler in ihrer Berufsgruppe.
Was die Situation der Beschäftigten betrifft, gibt es natürlich große Unterschiede zwischen unfreiwilligen und freiwilligen Wechseln aus einem Beruf in einen anderen. Die Gründe dafür reichen von Arbeitslosigkeit und erfolgloser Suche im eigenen Beruf bis zu besseren Karrierechancen und sozialem Aufstieg im neuen Berufsfeld. Auch die Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit oder die Vereinbarkeit mit dem Privatleben sind häufige Wechselgründe.
Wie weit ein Wechsel auch eine Anpassung der Qualifizierung voraussetzt, hängt stark vom jeweiligen Beruf ab. Der Einstieg in die Pflege ist zum Beispiel neben dem Nachholen einer ein- oder mehrjährigen Ausbildung auch durch einen Kurs zur Pflegehelferin bzw. zum Pflegehelfer mit einer Dauer von 200 Stunden möglich. Der Seiteneinstieg als Lehrerin bzw. Lehrer kann bei bestimmten Voraussetzungen relativ schnell unter parallel stattfindender fachlicher und pädagogischer Qualifizierung erfolgen. Und auch für Wechsel in IT-Berufe gibt es Qualifizierungsmaßnahmen von sehr unterschiedlicher Dauer – wenngleich die Qualifizierung hier meist vor dem Jobeintritt stattfinden muss.
Um Beschäftigte und Arbeitsuchende finanziell dabei zu unterstützen, sich die für eine Neuorientierung notwendigen Qualifikationen anzueignen, gibt es einige staatliche Förderungen. Einen Überblick bietet der Beitrag Weiterbildungslandschaft in Deutschland – die wichtigsten Förderprogramme und ihre Zielgruppen.
Berufswechsel werden in Zukunft eine noch größere Rolle spielen. Dafür sorgen vor allem äußere Einflüsse auf den Arbeitsmarkt. Denn Megatrends wie die Digitalisierung führen dazu, dass es in manchen Berufsfeldern weniger Arbeitsplätze geben wird und in anderen mehr. Welche Berufsfelder das sind, zeigt der Beitrag Megatrends – Veränderte Qualifikationsanforderungen.
Durch die personalstrategische Brille betrachtet, sind wechselwillige Personen eine interessante Zielgruppe. Entsprechend richtet sich der Blick von Betrieben und Branchenverbänden mehr und mehr auf sie. Nur: Das mit dem Willen zum Wechsel ist gar nicht so einfach. Wenn es nicht gerade entweder die gezielte Zweitkarriere oder die dringende Notwendigkeit eines neuen Jobs ist, bleiben viele „Schuster“ am liebsten „bei ihren Leisten“. Verständlich, denn einmal erlernte Tätigkeiten in einem Beruf sind eine Investition, die niemand gerne aufgibt. Zudem wissen viele nicht, welche Möglichkeiten es gibt und in welchen Berufen gegebenenfalls Schnittmengen zu ihren erlernten Tätigkeiten bestehen. Die vage Information, dass der aktuelle Job vielleicht nicht zukunftssicher ist, ist selten Anreiz genug.
Wirklich überzeugend sind möglicherweise eher die „Pull-Faktoren“ als die „Push-Faktoren“: Wenn Branchen signalisieren, dass sie Arbeitsplätze bieten, die spannend sind, die Perspektiven eröffnen und für die es niedrigschwellige Eintrittswege gibt, kann das Thema Quereinstieg Fahrt aufnehmen.
Denn im Nachhinein entpuppt sich der Quereinstieg meist als eine gute berufliche Entscheidung. Laut einer Umfrage der Personalvermittlung Mobilejob schätzen zum Beispiel 90 Prozent der nicht-akademischen Beschäftigten, die in einen Beruf eingestiegen sind, welcher nicht ihrer Ausbildung entsprach, diese Entscheidung als richtig ein.