Der Rat der Arbeitswelt hat in seinem 2021 veröffentlichten Bericht die Bedeutung des Betriebs als „Sozialen Ort“ bekräftigt und Handlungsbedarfe identifiziert, um den Risiken einer stärkeren ortsflexiblen Arbeitsweise entgegenzuwirken.
Ob vom Home-Office aus, im fahrenden Zug oder vom anderen Ende der Welt mit Zeitverschiebung: Es gibt viele Gründe, warum Teams von unterschiedlichen Standorten aus zusammenarbeiten und sich in ihrem täglichen Arbeitsalltag so gut wie nie persönlich begegnen. In einer arbeitsteiligen Wirtschaft mit globalen Lieferketten befinden sich Produzenten, Händler und Vertrieb überall auf der Welt verteilt. Da grenzt es an ein Wunder, dass die Zusammenarbeit trotzdem funktioniert.
Doch auch Beschäftigte, die eigentlich am gleichen Standort arbeiten, sind nicht immer im Betrieb vor Ort. Und einige Berufsgruppen, die Personen oder Güter befördern, arbeiten generell an wechselnden Arbeitsorten. Für viele andere haben digitale Endgeräte, wie zum Beispiel Laptops, Smartphones und Tablets, den Arbeitsradius vergrößert und das Arbeiten von unterwegs sowie an wechselnden Standorten enorm erleichtert (Data-Story „Orts- und Zeitflexibles Arbeiten“).
Mit digitalen Medien lässt sich die standortübergreifende Zusammenarbeit heutzutage einfach organisieren. Für weltweit tätige Unternehmen sind Videokonferenzen und Terminkalender mit Zeitzonen-Hinweis seit langem gang und gäbe. Im Jahr 2019 arbeiteten 36 Prozent der rund 14.000 Fach- und Führungskräfte einer Online-Umfrage der Jobplattform StepStone in internationalen Teams (Studie Erfolgsgeheimnis Team). 42 Prozent arbeiteten immerhin von unterschiedlichen Standorten im Land aus. Zwei Drittel der befragten Fach- und Führungskräfte sagten daher: Ohne digitale Medien ist eine Zusammenarbeit in meinem Team mittlerweile unmöglich!
Eine Studie des Fraunhofer Instituts und der Deutschen Gesellschaft für Personalführung basierend auf einer Befragung knappt 500 Unternehmen zeigt, dass die Corona-Pandemie den Einsatz digitaler Medien noch einmal verstärkt und dazu geführt hat, dass auch Betriebsexterne (wie Kundinnen und Kunden und Bewerberinnen und Bewerber) stärker in die virtuelle Kommunikation einbezogen werden. So machten 57 Prozent der Unternehmen Einstellungsgespräche erstmals per Videokonferenzen. 73 Prozent nutzen vermehrt Telefon- oder Videokonferenzen zur Auftragsklärung.
Bei allen Vorteilen der Technik birgt diese allerdings auch Risiken: Zuvorderst macht sich der geringere persönliche Kontakt bemerkbar. Es fehlt der menschliche Austausch an der Kaffeebar oder der kurze Weg zur Nachfrage mit der Führungskraft auf dem Flur. Die mögliche Folge: soziale Isolation. Auswertungen der Arbeitszeiterhebung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zeigen, dass die Beschäftigten, deren Arbeitsort wechselt oder die hauptsächlich mobil arbeiten, sich zwar ähnlich häufig von ihren Kolleginnen und Kollegen und sogar etwas häufiger von ihrem Vorgesetzten unterstützt fühlen – etwas geringer ist hingegen ihr Gefühl, Teil der Gemeinschaft am Arbeitsplatz zu sein.
Die Schutzmaßnahmen während der Corona-Pandemie haben die Zusammenarbeit erzwungenermaßen vom Betrieb in die Wohnhäuser verlagert – wo immer dies möglich war. Für die anderen Beschäftigten – immerhin rund die Hälfte – wurden die persönlichen Begegnungen auf das absolute Mindestmaß reduziert.
Auch wenn im Sommer 2021 der Anteil der Beschäftigten, die nicht im Home-Office arbeiten, wieder zunahm und immerhin zwei Drittel der Betriebe, bei denen die Arbeit von zu Hause aus grundsätzlich möglich ist, den Einsatz von Homeoffice nach der Pandemie auf das Niveau vor der Krise zurückfahren wollen, gehen Expertinnen und Experten davon aus, dass der Trend zu mehr Home-Office auch nach Corona anhalten wird. Die Beschäftigten werden mehr von zu Hause arbeiten wollen (Interview mit Dr. Phillip Grunau (IAB) zu den Lehren aus der Home-Office-Zeit während der Pandemie).
In der Pandemie haben Beschäftigte ihre Vorbehalte gegenüber dem Home-Office deutlich abgebaut. Vor Corona sagten noch rund 70 Prozent derjenigen, die nicht im Home-Office arbeiteten, dass dies die Zusammenarbeit erschweren würde. Im April/Mai 2020 befürchteten nur noch 19 Prozent, im Juni/Juli 24 Prozent und im September/Oktober 18 Prozent der Beschäftigten, die selbst nicht im Home-Office arbeiteten, dadurch eine Verschlechterung der Zusammenarbeit (Frodermann et al., 2021, S. 5) zu spüren. Investitionen in die digitale Infrastruktur und Lerneffekte im Umgang mit digitalen Kollaborationstools sind eine Erklärung, dass viele die Zusammenarbeit auf Distanz während der Pandemie häufiger als gut erlebten.
Nicht nur beim Arbeiten von Zuhause, auch in puncto Dienstreisen zeigt sich ein Umdenken (Hofmann et al., 2020, S. 11). Wo sich Telefon- oder Videokonferenzen in der Pandemie bewährt haben, können diese auch langfristig Dienstreisen ersetzen. Das spart Kosten, Zeit – und verbessert den ökologischen Fußabdruck. Die wichtigste Lernerfahrung sehen Unternehmen aber darin, dass der Zusammenhalt im Betrieb und eine starke Unternehmenskultur maßgeblich verantwortlich dafür waren, gut durch die Krise zu kommen (Mehr zum Thema Resilienz lesen Sie in unserem Beitrag Gestärkte Psyche: Was Resilienz tatsächlich bewirkt).
Damit der Team-Spirit nicht unter den weggefallenen persönlichen Kontakten leidet – Stichwort Flur-Talk oder Plausch an der Kaffeebar – braucht es neue Spielregeln in der Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kolleginnen sowie mit den Führungskräften. Mehr als jedes zweite Unternehmen (54 Prozent) möchte die Führung auf Distanz stärker etablieren und Verantwortliche hierfür trainieren. Rund 46 Prozent sehen auch Bedarf, die Beschäftigten darin zu schulen, sich stärker selbst zu organisieren (Hofmann et al., 2020, S. 21). Eine gute Selbstorganisation ist beispielsweise auch wichtig, um gesundheitlichen Risiken einer zeitlichen Entgrenzung vorzubeugen, die häufiger mit ortsflexiblem und mobilem Arbeiten einhergeht (BAuA-Stressreport 2019 S. 65).
Während der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, wo die größten Herausforderungen beim Führen auf Distanz liegen (Hofmann et al., 2021, S. 4): Die informelle Kommunikation wird schwieriger. Zum Beispiel der kurze Gang über den Flur für brennende Fragen. Zudem verlieren besonders ruhigere Beschäftigte den sozialen Anschluss. Aber arbeiten die Beschäftigten auch von zu Hause aus so, wie sie sollten? Diese fehlende Kontrollmöglichkeit sehen nur etwas mehr als ein Drittel der befragten Führungskräfte kritisch. Was die Wissenschaft hingegen weiß: Die Leistungsbereitschaft hängt maßgeblich davon ab, ob Beschäftigte ihre Arbeitsbedingungen als fair erleben – und sich durch ein hohes Engagement für ihre Arbeit revanchieren (Lott/Abendroth, 2021). Ebenfalls spielen in die Motivation mit hinein, wie flexibel Beschäftigte arbeiten können. Können sie zum Beispiel das Kind von der Kita abholen und die halbe Stunde einfach hinten dranhängen? Vertraut ihr Arbeitgeber ihnen hier genug? Eine gute Vertrauensbasis und Flexibilität sind folglich Beförderer von produktiver Arbeit im Home-Office.