Geringqualifizierte haben es am Arbeitsmarkt besonders schwer: Sie sind im Schnitt länger arbeitslos und haben schlechtere Beschäftigungsperspektiven als Erwerbstätige mit einem Berufsabschluss. Dabei liegen in der Gruppe der Geringqualifizierten viele Beschäftigungspotenziale, die auch zur Entschärfung von Fachkräfteengpässen beitragen können. Als formal Geringqualifizierte werden in der Regel all diejenigen bezeichnet, die keine berufliche Ausbildung absolviert haben. In einer weiteren Definition werden auch Personen zu den Geringqualifizierten gezählt, die über keine abgeschlossene Schulbildung verfügen.
In Deutschland gibt es aktuell etwa 4,7 Mio. Beschäftigte ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Das entspricht 13,3 Prozent der abhängig Beschäftigten. Die Gruppe setzt sich vor allem aus Frauen, Älteren und Personen mit Migrationshintergrund zusammen (vgl. Matthes/Severing 2017). Sie stellen einerseits eine bildungs- und sozialpolitische Herausforderung dar, haben aber durchaus berufliche Perspektiven. In der Tendenz weist der Beschäftigungstrend auch von formal gering Qualifizierten in den letzten Jahren nach oben. In Ost- wie Westdeutschland steigt die Zahl der Geringqualifizierten, die erwerbstätig sind, seit Jahren an: In Ostdeutschland von 21 Prozent im Jahr 1995 auf 45 Prozent im Jahr 2016, in Westdeutschland im gleichen Zeitraum von 52 Prozent auf 63 Prozent. In dieser Zeit hat insbesondere die Zahl der inaktiven Geringqualifizierten abgenommen (Eichhorst et al., 2019). Aktuell haben deutschlandweit 63,8 Prozent der Menschen ohne beruflichen Abschluss einen Job. Gleichzeitig geht die steigende Arbeitsmarktteilhabe von Menschen ohne Berufsausbildung mit einem großen Anteil gering entlohnter Beschäftigung einher und die Arbeitsverträge basieren häufig auf atypischen Beschäftigungsformen (vgl. Eichhorst et al., 2019).
Der Anstieg der Beschäftigung von formal Geringqualifizierten ist nicht in allen Branchen gleich: Besonders die Lagerwirtschaft und das Post- und Zustellungswesen verzeichneten zwischen 2012 und 2019 einen starken Zuwachs von knapp 28 Prozent. Dagegen entwickelten sich die Zahlen in der Reinigungsbranche und der Metallverarbeitungsbranche leicht rückläufig (vgl. Kalina 2022). Es lassen sich Berufe identifizieren, in denen die Geringqualifizierten einen besonders hohen Anteil ausmachen. Dazu gehören aktuell neben Lagerei- und Zustellungsberufen nach wie vor insbesondere Reinigungstätigkeiten oder Gastronomie- bzw. Speisezubereitungsberufe (siehe Abbildung).
Dennoch führen fehlende abgeschlossene Berufsausbildung zu einem höheren Risiko, arbeitslos zu sein. Nach den Daten der Bundesagentur für Arbeit liegt die Arbeitslosenquote formal Geringqualifizierter aktuell bei 21 Prozent, während Personen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung lediglich eine Quote von 3 Prozent aufweisen (BA, 2023). Überdurchschnittlich hoch ist auch die Quote der Langzeitarbeitslosen, denn mehr als 18 Prozent der formal Geringqualifizierten sind länger als ein Jahr ohne Arbeit (vgl. DGB 2021). Außerdem hat sich die Arbeitsmarktlage formal Geringqualifizierter durch die Corona-Pandemie weiter verschlechtert. Das macht deutlich, wie anfällig dieses Segment für kurzfristige Nachfrageschwankungen am Arbeitsmarkt ist (vgl. Seibert et al. 2021).
Ein Blick auf die Tätigkeiten zeigt, dass Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung nicht automatisch auch einfache Aufgaben erledigen. Gut die Hälfte der gering Qualifizierten ist als Facharbeiter*in tätig, weitere 10 Prozent üben Jobs mit hohen Anforderungen aus. Lediglich etwa 40 Prozent sind auf Helferstellen beschäftigt (vgl. Kalina 2022). Hiermit sind Arbeitsplätze gemeint, für die es keinen Berufsabschluss bedarf oder deren Tätigkeitsprofil sich innerhalb eines Jahres erlernen lässt. Aber auch hier hat sich das Profil mit der Zeit verändert: Während Helferstellen lange Jahre weit überwiegend mit Personen ohne Berufsabschluss besetzt wurden, geht aktuell nur noch etwa ein Fünftel aller Helferjobs an formal Geringqualifizierte. Immer häufiger werden auch für einfache Tätigkeiten berufsfachlich Qualifizierte eingestellt.
In der Regel setzen Fachkräftestellen eine abgeschlossene Berufsausbildung voraus. Aber der Weg in diese Stellen steht auch Menschen ohne beruflichen Abschluss offen und führt über eine lange Betriebszugehörigkeit. Fast ein Drittel aller Geringqualifizierten, die Helfertätigkeiten ausführen, sind relativ neu im Betrieb (< 1 Jahr), während Geringqualifizierte, die mehr als fünf Jahre im gleichen Betrieb sind, zu einem Drittel häufiger Fachkrafttätigkeiten ausführen (vgl. Kalina 2022).
Mit guten Weiterbildungsangeboten können Geringqualifizierte das Lernen (wieder) Lernen und ihre beruflichen Perspektiven verbessern (vgl. Rat der Arbeitswelt 2021, Matthes/Severing 2017). Allerdings nehmen Geringqualifizierte deutlich weniger an Weiterbildungen teil als es Personen mit einem Berufsabschluss tun (vgl. Kubis/Popp 2021). Im Zeitverlauf zeichnet sich aber auch hier ein positiver Trend ab. Neben guten Beratungsangeboten für Arbeitslose, Beschäftigte und Betriebe tragen Bildungsgutscheine dazu bei, Weiterbildungshürden abzubauen (vgl. Seyda et al., 2018). Einen Überblick über die unterschiedlichen Formen der Weiterbildung und die Weiterbildungslandschaft in Deutschland finden Sie hier.