Mit großen Datenmengen die Gefährdung von Kindern einschätzen: Selbstlernende Technologien sollen das über ein automatisiertes Screening leisten. Dabei fahnden sie in den Daten sozialer Dienste, der sozialstaatlichen Sicherungssysteme, aber auch weiterer Quellen wie Social Media nach Mustern, die statistisch auf die Gefahr von Misshandlung oder Vernachlässigung hinweisen. Solche Verfahren werden in Modellprojekten in unterschiedlichen Ländern erprobt (Gillingham 2017).
Aktuell diskutieren Fachleute für Soziale Arbeit und verwandter Disziplinen, wie sinnvoll der Einsatz solcher Prognosetools in der Sozialen Arbeit und für die sozialen Dienste allgemein ist. Fachkräfte müssen hier oft schwierige Entscheidungen treffen. Umso wichtiger ist es für sie beispielsweise im Kinderschutz, Risiken für Misshandlung oder Vernachlässigung richtig einzuschätzen.
Statistisch unterstützte Entscheidungen sind in den Sozialen Diensten dabei nichts Neues. Zum Beispiel sind für die Abfrage von Risikofaktoren schon länger standardisierte Bewertungsbögen im Einsatz. Bereits zu diesem Instrument gibt es kontroverse Diskussionen in der Sozialen Arbeit. So auch zu den umfassenderen, automatisierten Prognosetools wie das Predictive Risk Modelling (PRM) oder Decision Support Systems (DSS). Hierzu gibt es in der Fachdiskussion zwei Positionen:
Stand heute stehen diese beiden, durchaus zu vereinbarenden Positionen nebeneinander. Denn noch gibt es keine ausreichende Empirie dazu, wie die neue technische Infrastruktur die fachliche Arbeit bei konkreten Entscheidungen unterstützen kann.
Perspektive der Führungs- und IT-Kräfte: Laut IT-Report für die Sozialwirtschaft 2021 (Kreidenweis/Wolff, 2021, S. 15) klaffen die Ziele des IT-Einsatzes und der Grad der Zielerreichung aus Sicht der befragten Führungskräfte und IT-Verantwortlichen stark auseinander.
So wird beispielsweise die Erwartung, dank IT könnten Arbeitsabläufe effizienter gestaltet und standardisiert werden, nach Einschätzung der Befragten nicht erfüllt. Ebenso wird das Ziel, die fachliche Qualität der Arbeit durch IT-Einsatz zu steigern, nicht im gewünschten Ausmaß erfüllt.
Perspektive der Fachkräfte: Untersuchungen und Fallstudien stellen außerdem seit den 90er Jahren fest, dass Fachkräfte in Sozialen Diensten digitale Dokumentations- und Planungssysteme nicht als hilfreich erleben. Befragungen von Sozialarbeiter*innen und die Beobachtungen von Arbeitssituationen zum Beispiel in Jugendämtern ergeben folgende Einschätzungen:
Es gibt also viel Kritik an IT-Anwendungen in den Sozialen Diensten, auch abhängig von der Technik, die im konkreten Fall zur Anwendung kommt. Aber inzwischen werden bei der Systementwicklung professionelle und ethische Standards, sowie praktische Arbeitsroutinen stärker einbezogen, um sie passender und nützlicher zu machen, wie beispielsweise im Forschungscluster Maschinelle Entscheidungsunterstützung.
Kreidenweis/Wolff (Hrsg.), 2021, IT-Report für die Sozialwirtschaft, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Arbeitsstelle für Sozialinformatik.
Schrödter et al., 2020, Risikodiagnostik und Big Data Analytics in der Sozialen Arbeit, in: Kutscher et al. (Hrsg.), Handbuch Soziale Arbeit und Digitalisierung, S. 255-264.