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Pro und Contra zur Einführung einer Ausbildungsgarantie

Die rot-gelb-grüne Bundesregierung hat die „Ausbildungsgarantie“ in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten. Befürworter und Gegner diskutieren aktuell Vor- und Nachteile eines solchen Instruments.

Außerbetriebliche Ausbildung

Die Möglichkeit einer überwiegend öffentlich finanzierten Ausbildung in einer außerbetrieblichen Bildungseinrichtung besteht bereits in Deutschland. Diese Ausbildungs­form ist jedoch bislang grund­sätzlich einer fest definierten Personengruppe vorbehalten, z.B. lernbeeinträchtigten jungen Menschen oder Menschen mit Behinderungen. Mit rund drei Prozent stellten außerbetriebliche Ausbildungsverhältnisse im Jahr 2020 nur einen kleinen Teil der neu abgeschlossenen Ausbildungs­verträge dar (BIBB-Datenreport, 2021).

Ist eine Ausbildungsgarantie geeignet, allen Jugendlichen eine berufliche Perspektive zu bieten? Und wie müsste sie gestaltet sein, um dieses Ziel zu erreichen?

Mit der Ausbildungsgarantie wäre ein Ausbau der außerbetrieblichen Ausbildung verbunden. Jugendliche, die keinen betrieblichen Ausbildungsplatz am Ausbildungsmarkt finden, könnten so dennoch die Möglichkeit zu einer dualen beruflichen Ausbildung erhalten. Dabei ist jedoch nicht garantiert, dass ein entsprechender Abschluss am Arbeitsmarkt auch gebraucht wird.

In der Politik und insbesondere zwischen den Sozialpartnern werden die Vor- und Nachteile einer Ausbildungsgarantie daher intensiv diskutiert. Während die Befürworter mögliche positive Effekte auf individuelle Erwerbsverläufe, die Fachkräftesicherung und die Stabilisierung des beruflichen Ausbildungssystems insgesamt anführen, befürchten die Gegner des Instruments einen Rückgang der Praxisnähe und der marktwirtschaftlichen Steuerung am Ausbildungsmarkt. Letztlich hängen die Auswirkungen einer Ausbildungsgarantie auf die Jugendlichen und die Betriebe wie auch auf den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt aber auch von der konkreten Ausgestaltung ab.

Mit der Aufnahme der Ausbildungsgarantie in den Koalitionsvertrag der rot-gelb-grünen Bundesregierung hat die Diskussion um die Chancen und Risiken des Instruments an Aktualität gewonnen. Ein Überblick über Pro- und Contra-Argumente im Detail:

Pro

  • Qualifizierter Zugang zum Arbeitsmarkt:

    Der sichere Zugang zu einem Ausbildungsplatz ermöglicht jedem Jugendlichen einen ersten berufsbildenden Abschluss (DGB Jugend, 2021).

  • Verbesserte Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten:

    Ein qualifizierter Zugang zum Arbeitsmarkt erhöht die Beschäftigungschancen und das Erwerbseinkommen der betroffenen Jugendlichen auch über das gesamte Erwerbsleben hinweg. Zugleich sinkt das Risiko prekärer Beschäftigungsverhältnisse (Forstner/Molnárová/Steiner, 2021; DGB Jugend, 2021).

  • Minderung des Fachkräftemangels:

    Durch die zusätzliche Zahl an Absolventinnen und Absolventen kann der Fachkräftemangel in bestimmten Ausbildungsberufen abgemildert werden (Forstner/Molnárová/Steiner, 2021).

  • Ausgleich regionaler Versorgungsengpässe:

    Ein beruflich differenziertes Angebot an außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen kann regionale Unterschiede im betrieblichen Ausbildungsangebot ausgleichen, etwa indem ein noch schwach ausgeprägtes Angebot an dualen Ausbildungsplätzen für Mediengestaltung gezielt durch ein größeres Kontingent entsprechender außerbetrieblicher Plätze in der Region ergänzt wird (DGB Jugend, 2021; Burkard, 2021).

  • Berufliche Ausbildung wird gerade in Krisenzeiten stabilisiert:

    Ein reguläres Angebot an außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen kann das Ausbildungsgeschehen in Krisenzeiten, wie etwa der COVID-19-Pandemie, aufrechterhalten, wenn Betriebe krisenbedingt weniger Ausbildungsplätze anbieten (Werner/Risius/Jansen, 2021; DGB Jugend, 2021; Burkard, 2021).

  • Positive Effekte für die Wirtschaft und Allgemeinheit:

    Abhängig von den entsprechend realisierten Arbeitsmarkt-Effekten könnte sich die Einführung einer Ausbildungsgarantie nach österreichischem Vorbild laut Prognosen langfristig positiv auf die Gesamtwirtschaft, die Arbeitslosigkeit sowie den öffentlichen Haushalt auswirken: Ab dem neunten Jahr nach Einführung der Ausbildungsgarantie könnten die zusätzlichen Steuereinnahmen die Mehrkosten der Ausbildung übersteigen (Forstner/Molnárová/Steiner, 2021).

Contra

  • Außerbetriebliche Ausbildung ist kein Ersatz für die Praxisnähe einer betrieblichen Ausbildung:

    Durch die Nähe zur Praxis erhalten Jugendliche in der betrieblichen Ausbildung bereits früh ein hohes Maß an Berufserfahrung. Dies verbessert auch ihre späteren Arbeitsmarktchancen.

    Außerbetriebliche Ausbildungen mit nur wenigen oder kürzeren Praktikumsphasen können die Praxisnähe einer betrieblichen Ausbildung nicht ersetzen und sollten daher lediglich Ausweichoptionen für eine betriebliche Ausbildung darstellen (BDA, 2021; Werner/Risius/Jansen, 2021).

  • Risiko einer Fehlsteuerung am Ausbildungsmarkt:

    Der freie Zugang zu einer außerbetrieblichen Ausbildung kann zu einer Entkopplung von Angebot und Nachfrage am Ausbildungsmarkt führen. Während in manchen Berufen mehr Jugendliche ausgebildet werden als in den Betrieben tatsächlich benötigt werden, verzeichnen andere Berufe eine zu geringe Zahl an Auszubildenden. Das bestehende Vermittlungsproblem am Ausbildungsmarkt könnte so noch verstärkt werden. Jugendliche, die am Ausbildungsmarkt nicht mit einem betrieblichen Ausbildungsplatz in ihrem Wunschberuf versorgt werden, könnten eine außerbetriebliche Ausbildung im entsprechenden Beruf beginnen – und hätten damit weniger Anreize zu einer Ausbildung in einem Mangelberuf mit Besetzungsproblemen BDA, 2021; Werner/Risius/Jansen, 2021).

  • Bestehende Förderungen für benachteiligte Jugendliche sind besser geeignet, um die Vermittlung in Ausbildungsbetriebe zu stärken:

    Um Jugendliche mit Lern- oder Sprachdefiziten bei ihrem Einstieg in die Ausbildung und den Beruf zu unterstützen, besteht eine Vielzahl an Förderungen: Insbesondere praxisintegrierte Maßnahmen der Berufsvorbereitung (zum Beispiel Einstiegsqualifizierung) oder das Nachholen eines Schulabschlusses können die Chancen der Jugendlichen auf einen betrieblichen Ausbildungsplatz deutlich erhöhen. Für benachteiligte Jugendliche sollten (nachweislich erfolgreiche) ausbildungsvorbereitende Förderungen daher Vorrang vor dem Beginn einer außerbetrieblichen Ausbildung erhalten, um alle Möglichkeiten auf einen betrieblichen Ausbildungsplatz auszuschöpfen (Werner/Risius/Jansen, 2021).

  • Bestehende ausbildungsvorbereitende Maßnahmen sind besser geeignet, um die Vermittlung in Mangelberufe zu stärken:

    Berufsorientierende und praxisintegrierte Förderungen können den Jugendlichen helfen, ihre Präferenzen bei der Wahl eines Ausbildungsberufs zu erweitern, auch wenn sie zunächst keinen Ausbildungsplatz in ihrem Wunschberuf erhalten (BDA, 2021; Werner/Risius/Jansen, 2021).

  • Fehlanreize bei der Bereitschaft zur regionalen Mobilität:

    Ein garantierter Ausbildungsplatz in der eigenen Region verringert die Bereitschaft der Jugendlichen, für einen geeigneten Ausbildungsplatz auch in anderen Regionen zu suchen. Für Betriebe im ländlichen Raum kann dies den Mangel an Bewerber/-innen zusätzlich erhöhen (Werner/Risius/Jansen, 2021).