Den rechtlichen Rahmen für die betriebliche Mitbestimmung bildet das Betriebsverfassungsgesetz von 1952, das in den nachfolgenden Jahrzehnten mehrfach angepasst wurde. Eine Übersicht wichtiger Regelungen.
Seit Mai 2020 gelten aufgrund der Corona-Pandemie befristete Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Danach können Betriebsräte Beschlüsse auch via Video- und Telefonkonferenz fassen. So sollen Sitzungen mit Anwesenheitspflicht vermieden werden, ohne dass die Handlungsfähigkeit des Gremiums eingeschränkt wird. Das sieht die Corona-Sonderregelung in § 129 BetrVG vor. Sie ist nach aktuellem Stand befristet bis zum 30. Juni 2021.
Tarifautonomie und Betriebsverfassung bilden das sogenannte duale System der Interessenvertretung. Das sind zwei verschiedene „Arenen“, mit jeweils unterschiedlichen Akteuren, Konfliktgegenständen und Lösungsverfahren:
Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände (beziehungsweise einzelne Unternehmen) handeln für ihre Mitglieder Tarifverträge aus, in denen es um die grundlegenden Bedingungen für Beschäftigte geht – insbesondere in punkto Entgelt und (wöchentlicher) Arbeitszeit. Konflikte, die dabei entstehen, können durch Arbeitskämpfe ausgetragen werden. Die Tarifautonomie ist im Grundgesetz garantiert (Artikel 9, Absatz 3, „Koalitionsfreiheit“).
Betriebsrat und Management eines Betriebs treffen betriebliche Vereinbarungen, die sich unmittelbar auf die Arbeitsplätze im Unternehmen beziehen und die gesamte Belegschaft betreffen – vom Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeiten bis hin zu Sozialplänen für Mitarbeitende, die von Betriebsschließungen betroffen sind. Zu solchen Themen haben Betriebsräte als Interessenvertretung der Beschäftigten Informations-, Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte. Diese räumt ihnen das Betriebsverfassungsgesetz ein. Mehr dazu nachfolgend. Arbeitskampfmaßnahmen bleiben dagegen den Tarifparteien vorbehalten.
Den rechtlichen Rahmen für die Mitbestimmung der Betriebsräte bietet das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Es sieht unter anderem vor, dass ein Betriebsrat in Betrieben mit mindestens fünf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gewählt werden kann. Die Zahl der Betriebsratsmitglieder ist nach der Zahl der Betriebsangehörigen gestaffelt; bei fünf bis 20 Mitarbeitenden beispielsweise ist üblicherweise ein Vertreter vorgesehen. Das Gesetz regelt auch Wahl und Zusammensetzung eines Betriebsrats, seine Aufgaben und Rechte, Bestimmungen zu Gesamt- und Konzernbetriebsräten sowie zur Jugend- und Auszubildendenvertretung. Zu den wichtigsten Aufgaben und Rechten eines Betriebsrats gehören:
Einige Entscheidungen des Arbeitgebers werden grundsätzlich erst mit Zustimmung des Betriebsrats wirksam. Dazu zählen:
Bei wichtigen unternehmerischen Entscheidungen hat der Betriebsrat keine Mitbestimmungs-, sondern Mitwirkungsrechte. Das heißt, die Unternehmensleitung muss den Betriebsrat rechtzeitig unterrichten und dieser kann dann beratend tätig werden – beispielsweise, wenn es um die Einführung neuer Technologien geht, um Betriebsstilllegungen und -erweiterungen, um Produktions- und Investitionsprogramme, Rationalisierungsvorhaben, die Fusion von Betrieben oder um Änderungen der Betriebsorganisation.
Bei Maßnahmen, die wesentliche Nachteile für die gesamte oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, kann der Betriebsrat einen Interessenausgleich / Sozialplan erzwingen. Dieser soll wirtschaftliche Nachteile für die Beschäftigten mildern.
Dem Betriebsrat fallen laut BetrVG auch eine Reihe weiterer Aufgaben zu – darunter die Überwachung der Einhaltung von Gesetzen (z. B. zur Unfallverhütung) und Kollektivverträgen (Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen) sowie die Förderung der Eingliederung von Menschen mit schweren Behinderungen und ausländischen Arbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern. Grundsätzlich soll er Anlaufstelle für Mitarbeitende bei Problemen am Arbeitsplatz sein.
In Kraft getreten ist das BetrVG am 14. November 1952. Eine grundlegende Novelle stand 1972 an. In deren Zuge wurden unter anderem die Rolle der Gewerkschaften gestärkt und überbetriebliche Betriebsratsgremien (Gesamt- und Konzernbetriebsräte) eingeführt. Weitere Novellierungen folgten 1988 und dann 2001: Die Bildung von Betriebsräten in Kleinbetrieben wurde erleichtert, die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten abgeschafft und neue Vorschlagsrechte des Betriebsrats – so zu Beschäftigungssicherung – wurden eingeführt. Mehr
Eine Beteiligung der Beschäftigten an zentralen Entscheidungen in Unternehmen ermöglichen, die grenzüberschreitend tätig sind – das ist das Ziel sogenannter transnationaler Interessenvertretungsgremien. Die für Deutschland und im Europäischen Wirtschaftsraum wichtigste Form sind Europäische Betriebsräte (EBR). Ursprünglich begründet wurden sie durch die europäische Betriebsratsrichtlinie von 1994. Inzwischen gibt es EBR in rund 1.200 Unternehmen, die in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen (in Deutschland umgesetzt durch das Europäische Betriebsrätegesetz).
EBR erweitern die Möglichkeiten der nationalen Mitbestimmung entscheidend: Sie eröffnen die Chance zur Interessenvertretung bei transnationalen Herausforderungen – beispielsweise, wenn es um die Konkurrenz verschiedener internationaler Firmenstandorte untereinander geht oder um länderübergreifende Restrukturierungen von Unternehmen. Und sie schaffen Verbindungen zu im Ausland angesiedelten Konzernleitungen.
Im Unterschied zur deutschen Regelung sind für EBR rein juristisch zwar Informations- und Beratungsrechte vorgesehen, aber keine Mitbestimmungsrechte. In der Praxis kommt es allerdings vor, dass EBR auch transnationale Rahmenvereinbarungen – etwa im Fall von Unternehmensrestrukturierungen – verhandeln.
Gerade deutsche Betriebsräte spielen in EBR-Gremien eine wichtige Rolle. Grund dafür ist unter anderem, dass sie Anspruch darauf haben, für ihre Tätigkeit freigestellt zu werden. Zudem verfügen sie häufig über die beste fachliche Qualifikation als Interessenvertretungen. Damit sind deutsche Betriebsräte oft entscheidend dafür, wie wirksam EBR in Konzernen mit Standorten oder Hauptsitz in Deutschland sind.