In ihrem Engagement für ökologische Nachhaltigkeit setzen Unternehmen zunehmend auch auf Beschäftigte, denen klimabewusstes Handeln besonders wichtig ist. Richtig gemacht, kann das vielfältige Vorteile für Betriebe und Mitarbeitende bringen, erläutert Christoph Harrach im Interview
Der Trendforscher war unter anderem als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Berufliche Bildung und Arbeitslehre am Fachgebiet Arbeitslehre/Ökonomie und Nachhaltiger Konsum mehrere Jahre tätig, u.a. im Projekt „IMKoN – Integration von Mitarbeitern als Konsumenten in Nachhaltigkeitsinnovationsprozesse“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert wurde. Aktuell hält er Vorlesungen an verschiedenen Hochschulen zu den Themen Nachhaltigkeitsinnovationen und Gemeinwohl-Ökonomie.
Warum legen Unternehmen immer mehr Wert auf ökologische Nachhaltigkeit?
Christoph Harrach: Die immer deutlicheren Folgen des Klimawandels, Klimainitiativen von Seiten der Politik und gesellschaftlicher Gruppen, ein verändertes Konsumentenverhalten, Effizienzgewinne, Reputationssteigerung, die Attraktivität als Arbeitgeber – es gibt vielfältige Gründe, warum ökologische Nachhaltigkeit für Unternehmen immer wichtiger geworden ist, auch in den Führungsetagen. Und weil es ein Querschnittsthema ist, das alle im Betrieb betrifft, wird es im Zuge der strategischen Organisationsentwicklung verstärkt auf allen Unternehmensebenen verankert.
„Je ökologisch nachhaltiger Beschäftigte im Privatleben sind, umso wichtiger ist es für sie, ihre entsprechenden Einstellungen, Verhaltensweisen und Kompetenzen auch am Arbeitsplatz einbringen zu können.“
Handeln Menschen, die privat nachhaltig leben, auch am Arbeitsplatz nachhaltig?
Harrach: Mitarbeitende möchten ihre persönlichen Überzeugungen auch am Arbeitsplatz leben. Und je ökologisch nachhaltiger Beschäftigte im Privatleben sind, umso wichtiger ist es für sie, ihre entsprechenden Einstellungen, Verhaltensweisen und Kompetenzen auch am Arbeitsplatz einbringen zu können. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von einer Green Work-Life-Balance. Die Voraussetzungen hierfür sind in den letzten Jahren immer günstiger geworden – weil ökologische Nachhaltigkeit für die Unternehmen zunehmend wichtig ist, aber auch, weil die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben immer durchlässiger geworden sind. Das unterstreicht allein schon die steigende Bedeutung des Homeoffice: Beschäftigte werden verstärkt in ihren privaten Rollen berücksichtigt.
Christoph Harrach ist Experte für nachhaltige und gesunde Lebensstile. Der Preisträger des Deutschen Nachhaltigkeitspreises befasst sich unter anderem damit, wie Unternehmen die ökologische Transformation meistern können.
Wie gut können Beschäftigte ihre ökologischen Überzeugungen denn schon am Arbeitsplatz leben?
Harrach: Die Situation hat sich gebessert. Dennoch klaffen Wunsch und Wirklichkeit häufig auseinander. Zwar gibt es hierzu noch nicht viele empirische Befunde. Doch die Ergebnisse, die wir im Rahmen von online-repräsentativen Arbeitnehmerbefragungen gewonnen haben, lassen aufhorchen: Einerseits stimmten über 54 Prozent der Teilnehmer der Aussage zu, dass es für sie sehr wichtig ist, umweltfreundliches Verhalten aus ihrem Privatleben am Arbeitsplatz einzubringen. Unter stark ökologisch orientierten Menschen sagen das sogar 71 Prozent. Andererseits jedoch sehen jeweils nur 17 Prozent ihre Vorschläge in der betrieblichen Praxis realisiert.
Werden dadurch Chancen vertan?
Harrach: Je wirksamer sich Mitarbeitende ins Unternehmen einbringen können, desto besser ist das für ihre Bindung an den Betrieb, ihre Arbeitszufriedenheit und ihr Commitment dem Arbeitgeber gegenüber. Aus Firmensicht sind das zentrale personalpolitische Ziele. Hinzu kommt: Unternehmen, die sich für Umwelt und Gesellschaft engagieren, verbessern dadurch ihre Möglichkeiten bei der Mitarbeitergewinnung. Und auch von ihren Kunden wird das positiv wahrgenommen. Anders gesagt: Eine gezielte Integration ökologisch orientierter Mitarbeiter in das betriebliche Nachhaltigkeitsmanagement kann sich in wettbewerbsrelevanten Erfolgsfaktoren widerspiegeln und sich ökonomisch auszahlen.
Wie lassen sich ökologisch orientierte Mitarbeitende identifizieren?
Harrach: Das kann schon im Recruiting-Prozess geschehen, etwa durch einschlägige Hinweise in Stellenanzeigen oder im Rahmen des Bewerbungsgesprächs. Auch Beschäftigtenbefragungen bieten sich an, monatliche „Umweltfrühstücke“ oder Infoveranstaltungen zu ökologischen Themen. Die Teilnahme sollte am besten freiwillig sein. Auf solche Weise identifizierte Mitarbeiter sind am stärksten motiviert, die unternehmerische Nachhaltigkeitsperformance mitzugestalten und zur nachhaltigen Entwicklung am eigenen Arbeitsplatz beizutragen. Außerdem sind sie dann oft Multiplikatoren, die andere Beschäftigte für eine Projektidee begeistern können.
„Am besten ist es, wenn ökologisch orientierte Mitarbeiter und solche, denen das Thema Ökologie nicht so besonders wichtig ist, zusammenarbeiten.“
Wie gelingt es, dass Mitarbeitende ökologische Impulse und Kompetenzen besser ins Unternehmen einbringen können?
Harrach: Das lässt sich schon relativ einfach über klassische Instrumente wie das betriebliche Vorschlagswesen oder Ideenwettbewerbe umsetzen. Auch der Aufbau bereichsübergreifender Workshops oder Arbeitsgruppen kann die nachhaltigkeitsorientierten Mitarbeiter in ihrer Wirksamkeit stärken. Wichtig ist aber auch ein anderer Punkt: Am besten ist es, wenn ökologisch orientierte Mitarbeiter und solche, denen das Thema Ökologie nicht so besonders wichtig ist, zusammenarbeiten. Das zeigen Erfahrungen aus Unternehmen. Grüne „Change Agents“ sollten im Betrieb also nicht isoliert werden, sondern mit anderen in diversen Teams wirken.