Der digitale Wandel löst bei vielen Menschen Angst vor Arbeitsplatzverlust aus – ist sie berechtigt?
Arntz: Zunächst ist es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass das eine uralte Angst ist, die uns auch in den technologischen Fortschritten des letzten Jahrhunderts begleitet hat. Die Leute haben immer die Sorge gehabt, dass die nächste Technologie ihre Arbeit ersetzt. Insofern ist das etwas, was uns jetzt wieder beschäftigt, weil wir neue umwälzende Technologien kennenlernen, die grundsätzlich das Potenzial haben, bestimmte Tätigkeiten zu übernehmen, die bislang Menschen ausgeführt haben. Wir wissen aber sowohl aus der Vergangenheit als auch aus Studien zu den aktuellen Entwicklungen, dass wir nicht damit rechnen können, dass Arbeit wirklich verloren geht, sondern wir können davon ausgehen, dass es sogar eher zu einem Beschäftigungsaufwuchs kommt. Weil Technologie zwar einerseits immer auch einen ersetzenden Charakter hat, also bestimmte Tätigkeiten übernimmt, dafür an anderen Stellen aber auch wiederum Beschäftigung schafft. Letztendlich ist technologischer Wandel in der Vergangenheit und auch aktuell vor allem ein Phänomen, das zu sehr viel Strukturwandel führt, zu Veränderungen von Berufsbildern, zu Verschiebungen zwischen Berufen und Branchen, aber nicht dazu führt, dass wir tatsächlich Arbeit verlieren und uns die Arbeit ausgehen würde.
Welche Beschäftigtengruppen sind durch die Verbreitung von Robotern besonders betroffen?
Arntz: Die Einführung von Robotern ist auch kein Phänomen der letzten paar Jahre, sondern das hat schon in den 70er-, 80er-Jahren begonnen und seitdem zugenommen. Natürlich hat sich die Robotertechnik weiterentwickelt, die Systeme sind intelligenter geworden. Grundsätzlich sind von dieser Entwicklung vor allen Dingen Fertigungsberufe betroffen, also Menschen, die bislang in Tätigkeiten beschäftigt waren, in denen sehr viele sogenannte manuelle Routinetätigkeiten anfielen. Das ist eine Berufsgruppe, die – wenn wir sie uns im Zeitverlauf anschauen – zahlenmäßig stark abgenommen hat. Darüber hinaus hat sich durch die Technologie aber auch in allen anderen Berufen viel verändert. Man muss grundsätzlich sehen, dass neue Technologien immer zwei Dinge verändern: Zum einen können Berufe oder auch Branchen wichtiger oder weniger wichtig werden. Das ist das, was wir als Strukturwandel wahrnehmen. Zum anderen verändert das aber auch jeden einzelnen Beruf, der weiter Bestand hat, indem sich die Ausführung dieses Berufs durch die KI verändert. Insofern sind Fertigungsberufe vielleicht besonders betroffen, aber einen Wandel spüren wir in allen Berufen.
Welche Veränderungen erwarten Sie durch den vermehrten Einsatz von Künstlicher Intelligenz?
Arntz: Künstliche Intelligenz beschäftigt uns seit ein paar Jahren zunehmend. Tatsächlich ist die Studienlage dazu aber noch dünn. Die Studien, die wir haben, deuten darauf hin, dass die Mechanismen grundsätzlich wieder so sind, wie ich sie eben beschrieben habe: dass es vor allen Dingen zu einer Veränderung von Berufsfeldern führt, dass es manche Berufe weniger bedeutsam machen wird und andere dafür mehr. Wenn wir heute sehen, wie oft Stellen für Data Scientists ausgeschrieben werden, dann hätten wir uns das vor zehn oder zwanzig Jahren gar nicht vorstellen können. Da gab es diesen Beruf noch gar nicht. Das ist so ein Beispiel, an dem wir sehen, dass der technologische Fortschritt auch wieder etwas schafft, Berufe und Tätigkeiten kreiert, die uns vorher nicht bekannt waren.
Auf der anderen Seite ist es so, dass KI einen anderen Strukturwandel mit sich bringen wird als jenen, den wir in den letzten zehn, zwanzig, dreißig Jahren aufgrund von Robotik gesehen haben. Denn die KI hat Möglichkeiten, Tätigkeiten zu ersetzen, die wir bislang eher mit kognitiven Nicht-Routinetätigkeiten verbunden haben – also Tätigkeiten, die Leute mit einer relativ guten Ausbildung an einem Büroarbeitsplatz gemacht haben. Auf Basis von Analysen Entscheidungen zu fällen zum Beispiel – das sind Dinge, die jetzt KI -basiert gestützt werden können. Das heißt, auch diese Berufsfelder werden sich sehr wahrscheinlich in den nächsten Jahren massiv verändern. Aber auch da deutet sich nach aktuellem Stand nicht an, dass uns die Arbeit ausgehen würde.