In Fragen der Sicherheit und des Unfallschutzes am Arbeitsplatz steht Deutschland gut da. Auch hinsichtlich der Ergonomie – darunter versteht man die Anpassung der Arbeitsbedingungen an den Menschen und nicht umgekehrt – ist die hiesige Unternehmenswelt weit vorn. Die großen Errungenschaften wie der gesetzliche Unfallschutz oder Grenzen zur Höchstarbeitszeit werden heute als selbstverständlich hingenommen. Neue Trendthemen einer digitalisierten Arbeitswelt schienen das Thema Arbeitsschutz im Zentrum der Debatten um die Arbeitswelt der Zukunft längst abgelöst zu haben. Das änderte sich schlagartig im Frühjahr 2020 mit der Ausbreitung des Corona-Virus in Deutschland. Seitdem ist die Aufmerksamkeit für Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz stark gestiegen.
Doch auch schon vor der Pandemie stand der Arbeits- und Gesundheitsschutz vor neuen Gestaltungsaufgaben. Dabei ging es insbesondere um die Frage, ob und wie bislang bewährte Methoden des Arbeitsschutzes wie Betriebsbegehungen , Unterweisungen und ergonomische Anforderungen weiter greifen können und wo neue Lösungen gefragt sind (BAuA, 2020, S. 7), wenn vermehrt an wechselnden Arbeitsorten außerhalb des Betriebs gearbeitet wird. So hat der Arbeitgeber beispielsweise nur sehr eingeschränkte Rechte, um seine Schutzpflichten auszuüben, wenn der Arbeitsplatz im Privatbereich des Beschäftigten liegt. Mobile Arbeit braucht demnach eine stärkere Mitwirkung der Beschäftigten, aber auch Betriebe brauchen neue Konzepte.
Dass der Arbeits- und Gesundheitsschutz auch abseits der Pandemiebekämpfung betriebswirtschaftlich wie volkswirtschaftliche Brisanz hat, zeigen einige Fakten:
Unfälle vermeiden und vor arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren schützen – das ist die zentrale Zielsetzung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in Deutschland. Mit dem 1996 in Kraft getretenen Arbeitsschutzgesetz werden Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber branchenübergreifend verpflichtet, Gefährdungsbeurteilungen zunächst für physische und seit 2013 auch für psychische Belastungen am Arbeitsplatz durchzuführen und über notwendige Schutzmaßnahmen zu befinden. Zur Unterstützung beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung sind zudem Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu bestellen (Arbeitssicherheitsgesetz). Mittels Verordnungen (z. B. Arbeitsstättenverordnung) wird der gesetzliche Rahmen konkretisiert und über technische Regeln mit Empfehlungen und Vorschlägen zur Umsetzung weiter spezifiziert. Die technischen Regelwerke (z. B. für Arbeitsstätten) werden von staatlichen Arbeitsausschüsse (z. B. Ausschuss für Arbeitsstätten) aufgestellt, die aus Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitgeber, Gewerkschaften, Länderbehörden, der gesetzlichen Unfallversicherung und der Wissenschaft sowie Sachverständigen bestehen (Übersicht der Arbeitsschutzausschüsse).
Der Betriebs- und Personalrat hat bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren auf die Einhaltung der Vorschriften für den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb bzw. der Verwaltung zu achten (BetrVG, § 89; BPersVG, § 68). Zudem soll er die für den Arbeitsschutz zuständigen Stellen wie Behörden oder die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung unterstützen. Nach dem Betriebsverfassungsrecht stehen ihm dafür umfangreiche Rechte zu. So ist der Betriebsrat beispielsweise bei der Planung von Arbeitsplätzen oder Arbeitsabläufen zu unterrichten und beratend hinzuzuziehen (BetrVG, § 90). Weiterhin kann er angemessene Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich von Belastungen verlangen (BetrVG, § 91). Eine Auswertung von Betriebsvereinbarungen macht den Arbeits- und Gesundheitsschutz als zentrales Trendthema der Interessenvertretungen aus: Im Jahr 2017 hatten 55 Prozent der untersuchten Betriebe eine Betriebsvereinbarung zum Arbeits- und Gesundheitsschutz – ein Anstieg um rund 13 Prozentpunkte gegenüber dem Jahr 2015 (Baumann et al., 2018, S. 4).
Der Ursprung einer einheitlichen Rechtsgrundlage zum Arbeitsschutz lässt sich bis zur Gründung des deutschen Reiches im Jahr 1871 zurückführen und ist in ihren Anfängen stark durch die Industrialisierung des 19. Jahrhunderts und die Arbeitssituation der Fabrikarbeiterinnen und -arbeiter geprägt. Bereits früh entwickelte sich ein duales Arbeitsschutzsystem bestehend aus einer staatlichen Arbeitsschutzaufsicht und Unfallversicherungsträgern in Form von Berufsgenossenschaft und Unfallkassen, die eigenständig für die Bedarfsprüfung und Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften verantwortlich sind. Mit der Verankerung der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) im Arbeitsschutzgesetz und Sozialgesetzbuch VII im Jahr 2008 wurde ein abgestimmtes Handeln von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern zur Festlegung nationaler Arbeitsschutzziele, Beratung und Überwachung sowie Optimierung der Vorschriften gefördert. Im Themenfeld Gesundheit der Initiative Neue Qualität der Arbeit finden Interessierte praktische Tipps und Tools um die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Arbeitsplatz zu stärken.