Hallo und herzlich willkommen zur zweiten Folge des Podcasts Mit.Arbeit. Ich bin Berit Schmiedendorf und in dieser Folge sprechen wir über ein heiß diskutiertes Thema: die 4-Tage-Woche. Was für ein Traum! Zumindest für jeden Arbeitnehmer wie mich. Nur vier Tage arbeiten statt fünf - ob die 4-Tage-Woche das Arbeitsmodell der Zukunft sein wird oder nur eine spinnerte Idee, das diskutiere ich heute mit der Unternehmerin und Expertin Anna Kaiser – hallo…!
Anna Kaiser: Hallo!
…sowie mit dem Arbeitsmarktforscher Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Schön, dass Sie da sind!
Enzo Weber: Ich grüße Sie. Schön, dabei zu sein.
Bevor wir uns in die arbeitsmarktökonomischen Tiefen begeben, würde ich gerne etwas Greifbares von Ihnen beiden wissen. Heute ist Freitag. Wie viele Stunden werden Sie in dieser Woche ungefähr gearbeitet haben, wenn der heutige Arbeitstag rum ist, Frau Kaiser?
Anna Kaiser: Auch wenn ich meine Stunden nicht einzeln zähle, aber ich würde sagen, wahrscheinlich so um die 35.
Können Sie das überbieten, Herr Weber?
Enzo Weber: Überbieten klingt danach, als ob das etwas Positives sei, aber ich werde wahrscheinlich drüber liegen. Wobei es mir schwer fällt, die Stunden einzeln abzurechnen, weil meine Arbeitstage so flexibel sind, auch kombiniert mit den Hausaufgaben der Kinder und so weiter und so fort, dass die übliche Abrechnung da tatsächlich schwerfällt.
Okay, über Arbeitszeiterfassung könnten wir natürlich auch gerne sprechen, das scheint ja dann gar nicht Ihr Ding zu sein.
Enzo Weber: Nein, ich habe Vertrauensarbeitszeit, ich erfasse tatsächlich nicht.
Was ist eigentlich mit der 4-Tage-Woche genau gemeint? Die Reduzierung der Arbeitszeit auf 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich? Oder auch alle anderen Varianten, die es gibt, also beispielsweise eine 38-Stunden-Woche, die an vier Tagen abgearbeitet wird? Frau Kaiser, was ist Ihre Definition?
Anna Kaiser: Das ist eine gute Frage. Ich habe das Gefühl, dass bei dem Thema jeder so eine andere Definition im Kopf hat. In meiner eigenen Firma zum Beispiel hatte ich die unterschiedlichsten flexiblen Arbeitsmodelle. Ich hatte Menschen, die nur zwei Tage die Woche gearbeitet haben oder auch nur drei oder vier. Ich hatte aber auch Vollzeitkräfte, also Leute, die auch wirklich klassisch fünf Tage die Woche gearbeitet haben oder ihre 40-Stunden-Woche auf fünf Tage verteilt haben. Wenn wir von 4-Tage-Woche heute dennoch sprechen, würde ich sagen, dass oft das Modell gemeint ist: vier Tage die Woche und dann bei vollem Lohnausgleich. Trotzdem bleibt noch die Frage, wie viel Stunden auf die vier Tage verteilt werden: sind es dann 32, sind es doch eher mehr? Sind es fast 40? Also da gibt es ja an sich keine One-Fits-All-Lösung, es bleibt den Unternehmen überlassen. Aber vielleicht, wenn wir diskutieren, sollten wir uns hier auf eine Definition einigen, das Modell, was uns vorschwebt.
Herr Weber, haben Sie ein Vorschlag, wären Sie damit einverstanden, wenn wir sagen, mit 4-Tage-Woche ist tatsächlich die Reduzierung der Arbeitszeit auf 32 Stunden bei vier Tagen Arbeit bei vollem Lohnausgleich gemeint?
Enzo Weber: Also das ist das am heißesten diskutierte Thema, denke ich durchaus. Aber andere Dinge werden auch diskutiert und nicht jeder wird dasselbe wollen. Also von daher, man kann verschiedene Optionen diskutieren. Ich bin ohnehin der Meinung, dass es am Ende auf individuelle Modelle auch sehr stark ankommen wird, weil die Wünsche nicht immer die gleichen sind. Aber sagen wir mal: Die großen Schlagzeilen macht genau die Definition, die Sie gerade genannt haben.
Ja, wir können ja uns darauf verständigen, dass wir das jetzt unter 4-Tage-Woche meinen. Und wenn wir was anderes meinen, müssen wir eben sagen, was wir meinen.
Anna Kaiser: Perfekt.
Ich würde gerne mit einigen Stichworten diesen Podcast begleiten. Es gibt viele Vorbehalte und viele Unterstützer, gerade läuft ja auch ein Pilotprojekt in Deutschland zur 4-Tage-Woche. Das erste Stichwort wäre die Kostenseite. Herr Weber, Sie haben mal gesagt, wenn es eine 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich gibt, dann macht das eine Gehaltserhöhung von 25 Prozent aus. Können das die Unternehmen leisten in Deutschland?
Enzo Weber: Das ist in der Tat so, sie müssten faktisch den Stundenlohn um 25 Prozent anheben. Und ja, auch nicht nur für die, die vorher in Vollzeit waren und jetzt reduzieren, sondern sie müssten ja für die, die vorher in Teilzeit waren, den Lohn auch anheben. Ansonsten können sie das, glaube ich, überhaupt nicht mehr erklären, was sie da als Personalpolitik machen. Das ist in dem Moment nicht leistbar, wo man in den verbleibenden Stunden nicht auch mehr schaffen kann.
Also eine Lohnerhöhung von 20, 25 Prozent ist für die meisten Unternehmen jenseits von allem, was irgendwie realistisch ist. In dem Moment, wo man aber durch eine 4-Tage-Woche natürlich Vorteile erreichen kann, wo man dann die Leistung steigern kann, die Zufriedenheit steigern kann, die Motivation steigern kann, den Krankenstand senken kann und so vieles, was immer behauptet wird, was von der 4-Tage-Woche käme, in dem Moment ist es ja keine Kostensteigerung, sondern dann bekommen sie ja sozusagen auch mehr fürs Geld. Und genau darum geht es.
Frau Kaiser, ist das so? Können Sie sich das vorstellen, in Ihrem Unternehmen tatsächlich 25 Prozent Lohnerhöhung durch das 4-Tage-Modell zu bezahlen, gleichzeitig aber zu sagen: Wir haben ja auch Kostenersparnisse. Es gibt ja sogar Unternehmen, die auch geringere Energiekosten durch die 4-Tage-Woche haben. Also das kann man ja beliebig erweitern, was man auch an Kosten spart.
Anna Kaiser: Ja, das ist ein guter Punkt und ich glaube, deswegen sollten wir auch immer ganzheitlich darauf blicken. Also es gibt keine One-Fits-All-Lösung bei dem Thema, da würde ich definitiv zustimmen. Es ist sehr, sehr, sehr individuell und wir müssen auch immer auf die Tätigkeiten gucken, was wird wirklich in vier Tagen quasi gearbeitet, in welchem Bereich sind die Leute tätig? Es gibt Arbeitsbereiche, da ist es schwer, dass man mehr schafft in vier Tagen. Also kann ein Busfahrer oder eine Busfahrerin dann einfach schneller fahren und mehr Leute transportieren in vier Tagen? Oder merkt man wirklich, dass gerade bei Wissensarbeit am Schreibtisch etcetera die Produktivität steigt?
Ich muss sagen, in meinem eigenen Unternehmen habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Leute, die vier Tage gearbeitet haben, weniger krank waren und teilweise – teilweise - dasselbe Pensum geschafft haben wie andere in fünf Tagen. Und dann war ich in der Situation, dass ich manchmal sogar ein schlechtes Gewissen hatte und gedacht habe: Mensch, denen müsste ich ja eigentlich mehr bezahlen im Vergleich zu den Leuten, die fünf Tage ins Büro gekommen sind.
Da ich dann aber noch unterschiedlichste Modelle hatte, wie nicht nur alle in 4-Tage-, sondern auch einige in 5-, einige in 2- oder in 3-Tage-Woche-Modellen, war es für mich schwer, da ein konkretes und perfektes Modell zu finden. Aber das wäre ein Thema, was ich bei meiner nächsten Firma definitiv angehen würde und noch mal genauer hingucken würde.
Also ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute, die einfach längere Ruhephasen hatten, weniger krank waren, das definitiv. Und in der Zeit, in der sie da waren, sehr produktiv waren. Ich erzähle gerne von dem Beispiel der sehr, sehr produktiven und effizienten - auch mal – Teilzeit-Mütter, die oft oder auch -Väter, die gekommen sind und in Teilzeit gearbeitet haben und mit den Stunden, die sie da waren, wirklich hochproduktiv waren, so meine Erfahrung.
Sie haben vorhin angesprochen, dass nicht in allen Branchen dieses 4-Tage-Modell funktioniert. Es gibt doch aber auch schon Krankenhäuser, Bauunternehmer, Bäcker, die genau das machen - unter anderem, weil wir doch unter einem massiven Fachkräftemangel leiden. Also es scheint ja doch kein Branchenproblem zu sein, auch wenn es natürlich Branchen gibt, in denen, ja, man 24 Stunden sieben Tage die Woche da sein muss.
Anna Kaiser: Definitiv. Und ich denke, da sollten wir auch genau hingucken. Ich finde ja auch, viele Bereiche sind unterbezahlt. Also wenn wir es, wenn wir es schaffen, dass die Leute - wie gesagt - weniger krank sind, weniger fehlen, wenn wir uns Energiekosten sparen, dann dürfen wir auch nicht nur auf die Produktivität der Einzelnen gucken, die wir dadurch gewinnen, weil es vielleicht der Job auch gar nicht hergibt, wie Sie vorhin meinten, sondern dass wir wirklich das gesamtgesellschaftlich betrachten und schauen, ob wir da einfach auch eine, ja, eine flexiblere und dadurch menschenfreundlichere Arbeitswelt schaffen, wodurch wir am Ende alle gewinnen, definitiv.
Herr Weber, ist das so? Kann man an vier Tagen mit weniger Stunden genau das gleiche schaffen auf Dauer wie jemand, der fünf Tage und mehr Stunden arbeitet?
Enzo Weber: Die einfache Antwort lautet: Es kommt drauf an, wie immer. Ja, also es gibt natürlich die Tätigkeiten, da können Sie nicht automatisch dadurch, dass Sie sie kürzer ausüben, dann mehr schaffen. Also Busfahrer war ein Beispiel. Das trifft eigentlich auf alle Tätigkeiten zu, die irgendwie Zeit abdecken müssen. Also genau das gleiche kann man zum Beispiel in der Pflege oder im Verkauf oder ähnlichem benennen, wo man einfach nicht schneller verkaufen oder schneller pflegen oder was auch immer kann. Und dementsprechend ist da direkt durch die Arbeitszeitverkürzung keine Erhöhung der Produktivität möglich. Eine Erhöhung der Produktivität ist schon möglich - also ich bin bei weitem nicht der Meinung, dass die Arbeitsbedingungen und Arbeitsorganisation heute in der Pflege zum Beispiel schon optimal wären und dass man da nie wieder was verbessern kann - verbessern kann man immer, aber es ist ja die Frage: Werde ich automatisch dadurch besser, dass ich kürzer arbeite und das wird in allen diesen Bereichen, wo ich wirklich bestimmte Zeiten abdecken muss, nicht der Fall sein.
In anderen Bereichen kann es der Fall sein, muss aber auch nicht der Fall sein. Also man kann sehr wohl auch fünf Tage die Woche effektiv arbeiten. Es muss aber auch wieder nicht in jedem Fall so sein, es kann auch sein, dass dann irgendwann der Schlendrian einkehrt oder vielleicht doch dann sich Prozesse leistet, die man vielleicht, wenn man sich ein bisschen mehr am Riemen reißt, dann auch anders gestalten würde.
Und genau das ist es. Man muss halt wirklich im Einzelfall genau hinschauen. Die 4-Tage-Woche ist aber überall möglich. Und jetzt muss ich mich daran halten, was wir verabredet haben: Damit meine ich die 4-Tage-Woche ohne vollen Lohnausgleich. Also die Arbeitszeit zu variieren, das ist überall möglich. Wir sehen also in Krankenhäusern gerade oder in der Pflege oder im Verkauf, da ist es ja ganz üblich, dass ganz, ganz viele in Teilzeit arbeiten. Und niemand nennt das da 4-Tage-Woche. Das ist einfach Teilzeit und kein Hahn kräht danach. Das zeigt, dass auch wirklich in komplexen Betrieben wie zum Beispiel Krankenhäusern so etwas sehr wohl möglich ist, man muss dann aber die Zeitaufteilung natürlich gut organisieren.
Das bringt mich zu meinem nächsten Stichwort, nämlich zum Arbeitsvolumen. Wenn alle Mitarbeiter, alle Beschäftigten, alle Arbeitnehmer in Deutschland eine 4-Tage-Woche hätten, statt Vollzeit zu arbeiten, dann würde das Arbeitsvolumen drastisch sinken. Dann haben wir den demografischen Wandel, wir haben jetzt schon zu wenig Fachkräfte. Ist das ein Problem bei der 4-Tage-Woche?
Enzo Weber: Also grundsätzlich bin ich der Meinung, wenn wir darüber nachdenken, wie sollen wir unsere Arbeitszeit wählen, dann sollte darüber nicht ein Fachkräftemangel entscheiden. Darüber sollte aber auch nicht die KI entscheiden, die uns angeblich alles abnimmt oder die Roboter oder irgendeine Zeitgeistdiskussion - mal ist es Generation Z oder irgendetwas anderes, sondern da sollten einfach die Menschen selbst entscheiden: Was wollen sie, in welchen Lebensverhältnissen befinden sie sich, wie können sie ihren Job am besten mit ihrem Leben vereinbaren? Und dann bin ich am Ende bekanntermaßen für die X-Tage-Woche, also das individuelle Wahl-Arbeitszeitmodell, das auch angepasst werden kann, das vier Tage sein kann, das aber auch fünf Tage sein kann. Und wer die drei haben möchte, der soll sie auch bekommen. Und dann ist die Herausforderung: Organisieren wir das, bringen wir das unter einen Hut in der betrieblichen Praxis? Und das heißt, man muss sich an einen Tisch setzen. Also man muss unter den Kolleginnen und Kollegen wirklich gut koordinieren. Wie wollen wir zusammenarbeiten, so dass trotzdem jeder seine Wahlmöglichkeit bekommt? Der Vorteil davon ist: Wir würden niemandem ein Modell wie die 4-Tage-Woche aufdrücken. Also ich finde nicht, dass die 5-Tage-Woche als starres Modell unbedingt beibehalten werden muss. Ich glaube eigentlich, die hat ausgedient. Aber ich glaube auch nicht, dass die 4-Tage-Woche als neues, starres Modell jetzt unbedingt für alle gelten muss.
Das klingt nach einem ziemlich komplexen Unternehmensorganisationsmodell. Wie ist das denn in der Realität, Frau Kaiser?
Anna Kaiser: Nein, es klingt an sich komplizierter, als es ist, ja, weil wo ein Wille ist, ist auch immer ein Weg. Grundsätzlich ist natürlich in einem flexiblen Arbeitsmodellsystem viel Eigenverantwortung gefragt. Also in so einem Nine-to-five-Stechuhrensystem sind die Regeln klar, da weiß jeder, was er zu tun hat. Und wenn alle flexibel und unterschiedlich arbeiten, ist es natürlich unerlässlich, dass man mitdenkt, dass es klare, transparente Strukturen gibt, dass die Leute, die am Freitag vielleicht nicht ins Büro kommen, aber so alles kommunizieren, dass die, die am Freitag im Büro sind und vielleicht Informationen brauchen, die auch finden. Das ist ganz klar der Alltag, der muss funktionieren, reibungslos. Aber das geht, das geht mit Firmenkulturen, die wir schaffen können, ja, es gibt die überall, man kann die kopieren, man kann lernen. Und das Wichtigste ist, wie ich gesagt habe, keine One-fits-all-Lösung. Ich habe immer gesagt, im Grunde brauchen wir so viele Arbeitsmodelle, wie es Menschen in Unternehmen gibt; wie Herr Weber auch gerade gesagt hat: Jeder ist in unterschiedlichen Phasen und Lebenssituationen und ich finde, wir Unternehmen sollten einfach die Optionen, die wir haben, auch wirklich nutzen und hingucken und schauen, was Sinn macht. Mit gesundem Menschenverstand, aber natürlich auch mit einer gewissen Offenheit und Flexibilität. Denn am Ende geht es ja darum, dass die Menschen gut arbeiten können, gesund arbeiten können, produktiv arbeiten können und das passend zu jeder Lebensphase.
Und wenn wir die Leute gefragt haben, was so ihre Wunscharbeitszeit ist, dann haben die meisten gesagt: 32 Stunden, aber auch nicht unbedingt auf vier Tage runtergebrochen. Einige haben vielleicht gesagt: Fünf Tage passt mir besser und dafür weniger Stunden am Tag. Also jeder hat ja wirklich eine andere Idee von der perfekten Arbeitszeit. Und darum ist es so wichtig, dass wir die Möglichkeiten, die wir haben, voll ausschöpfen und dann einfach wirklich hingucken: Verdienen denn die Leute für ihren Bereich fair? Also bekommt jeder schon mal einen fairen und guten Lohn? Können Menschen vielleicht auch in Teilzeit leben und Familien ernähren? Das ist ja auch immer noch so ein Punkt, kann eine Pflegekraft in Teilzeit, wenn man alleinerziehend ist, überhaupt eine Familie ernähren? Das sind ja dann schon Themen, die Menschen umtreiben. Und ich denke, da müssen wir einfach offen hingucken. Aber ich kann nur aus der Erfahrung sprechen: Es gibt mehr Lösungen, als man oft auf den ersten Blick sieht.
Enzo Weber: Übrigens, wenn man sich das repräsentativ anschaut, ist es genauso. Wir haben neulich mal die Arbeitszeitwünsche der deutschen Beschäftigten über drei Jahrzehnte uns angeschaut, bis heute. Und da sieht man, die sind jetzt in den vergangenen Jahren schon ein bisschen zurückgegangen, insgesamt. Also die Debatte 4-Tage-Woche und so, die hat schon eine gewisse Grundlage. Aber man sieht auch, das fächert sich halt einfach sehr stark auf. Also es ist nicht so, dass große Mehrheiten dasselbe Modell wollen, sondern es fächert sich auf. Es gibt durchaus auch noch die, die mehr als 40 Stunden wollen. Es gibt viele, die irgendwo so im mittleren oberen 30er-Bereich liegen. Es gibt auch welche, die im 32er-Bereich liegen und genau dem kann man ja gerecht werden. Das ist dann auch die beste Möglichkeit, das Arbeitskräftepotenzial auszuschöpfen, denn ich brauche ja Arbeitsmodelle, die die Menschen gut vereinbaren können. Und in dem Moment, wo ich meinen Job gut mit dem Leben vereinbaren kann, kann ich im Grunde auch die meiste Arbeit für den Job dann effektiv investieren.
Die Leute, die die 4-Tage-Woche in unserer Definition befürworten, argumentieren ja auch damit, dass viele Teilzeitkräfte bei solch einem Modell aufstocken würden. Haben Sie denn mal wissenschaftlich untersucht, wie viele Menschen aufstocken würden wollen und wie viel mehr Arbeitsstunden da zusammenkämen, Herr Weber?
Enzo Weber: Also wenn man möchte, dass Teilzeitkräfte aufstocken, dann kann man das bereits jetzt realisieren. Dafür muss ich nicht einheitlich die Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten reduzieren. Worauf ich achten sollte, ist: Ich darf Vollzeit und Teilzeit nicht starr trennen. Das darf nicht irgendwie eine andere Qualität haben. Es darf nicht so sein, dass die Karriere und der hohe Lohn und die Weiterbildung und alles in Vollzeit ist und wer in Teilzeit ist, der arbeitet zwar auch seine Stunden, aber eigentlich weiß doch jeder unterschwellig in der Firmenkultur, dass das das Abstellgleis ist. Das geht nicht. Wenn Sie die Kultur geändert haben, dann können Sie mit allen Arbeitszeiten von Teilzeit bis zur Vollzeit auch parallel gut durchkommen.
Ja, ein Argument ist dennoch, dass Frauen mit Partnern, die Vollzeit arbeiten, aufgrund der Kinderbetreuung zum Beispiel oft das Problem haben, gar nicht mehr arbeiten zu gehen, als sie es aktuell tun. Wenn der Partner nun aber in einer 4-Tage-Woche arbeiten würde, wäre ja die Möglichkeit gegeben, zumindest diesen einen Tag aufzustocken. Das wäre schon ein Vorteil einer 4-Tage-Woche oder nicht?
Enzo Weber: Genauso ist es. Und genau deshalb dürfen Männer auch nicht mehr die Sorge haben müssen, wenn sie in Teilzeit, also in die in Anführungsstrichen Teilzeit gehen, dass das dann für die Karriere der große Dämpfer ist. Wir haben bereits seit längerem klare Aussagen der meisten Männer: „Ich würde gerne mehr für die Familie tun.“ Wir sehen aber genauso, dass sich bei der Arbeitszeit gespiegelt sehr viel weniger tut. Und das hat einen Grund. Das hat normalerweise einen Grund konkret in der Arbeitswelt. Aber dafür brauche ich die Durchlässigkeit, dafür muss ich es möglich und normal machen, in verschiedenen Arbeitsmodellen zu arbeiten. Und dann ist es in der Tat Ihr Argument genau richtig. Dann kann man mit einem relativ begrenzten Einsatz der Männer bei den Frauen sehr viel mehr erreichen. Denn was wir heute haben, ist: berufliche Entwicklung von Frauen knickt ab in der Kinderphase. Das wäre ja, wenn es dann zwei Jahre dauert, bis die Kinder ein bisschen größer sind, wäre das ja noch verträglich. Aber dieses Abknicken erholt sich danach normalerweise nicht mehr und da treten die großen Verluste ein. Wenn wir das vermeiden können, dann hat auch die Wirtschaft durch mehr Arbeitszeitflexibilität, individuellere Möglichkeiten wirklich einen Gewinn.
Frau Kaiser, schicken Sie junge Väter in die Zwangs-Teilzeit?
Anna Kaiser: Das ist wirklich ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Und darum war mir ja auch immer wichtig, dass die Leute, die in Teilzeit gehen, wirklich in allen Bereichen in Teilzeit gehen können, weil oft ja auch dann das Argument kommt : Ja, aber das ist irgendwie ein Job, der hat so viel Verantwortung, da muss jemand 40, 50, 60 Stunden die Woche da sein.
Und ich meine, sind wir doch mal ehrlich, wer sagt denn, dass immer ein Job am besten in die 40-Stunden-Woche passt? Also es gibt Bereiche, da brauchen wir locker 70 Stunden die Woche, um das gut abzudecken. Und darum bin ich ja auch ein großer Fan von Jobsharing-Modellen, also wirklich so flexiblen Modellen, dass sich auch Menschen Arbeitsbereiche teilen, so dass Leute auch in Führungspositionen einfacher in Teilzeit gehen können und einfach immer ein bestinformierter Ansprechpartner, eine bestinformierte Ansprechpartnerin im Unternehmen da ist.
Also es gibt wahnsinnig tolle Lösungen, aber genau das, was Herr Weber gerade angesprochen hat: Wir müssen auch über die Reputation der Modelle sprechen. Und für mich, wir haben nie zwischen Vollzeit und Teilzeit getrennt in meinem Unternehmen, ich habe auch da nie davon gesprochen. Für uns war das immer Arbeit und jeder hat in dem Modell gearbeitet, was perfekt gepasst hat von dem her, das ist ganz, ganz wichtig, weil alles ist gleichwertig sozusagen.
Aber wir müssen offen sein für die flexiblen Modelle. Und im Jobsharing habe ich ganz, ganz großartige Lösungsmodelle im Alltag, in Arbeitsbereichen erlebt, die vorher nicht möglich gewesen sind.
Auch bei Männern?
Anna Kaiser: Ja, unbedingt. Vor allem bei Männern, weil dort oft das Argument kommt: Ja, aber mein Mann bleibt lieber zu Hause, weil der ja mehr verdient. Das ist ja in Partnerschaften oft die Abwägung. Und ich bin ganz klar hier: Wenn wir nicht gegenhalten, werden weiterhin die Männer mehr verdienen als die Frauen und es wird nicht abbrechen. Und wir werden immer wieder in die Situation kommen, dass dann die Frauen zu Hause bleiben. Wir müssen gucken, dass die Frauen in ihren leitenden Positionen und Führungsposition bleiben, auch wenn sie vielleicht für das erste Jahr oder die ersten zwei Jahre, wenn die Kinder noch klein sind, weniger arbeiten. Und das kann man dann in solchen Modellen super abbilden.
Herr Weber, haben Sie denn reduziert, als Ihre Kinder auf die Welt kamen?
Enzo Weber: Nein, ich habe glücklicherweise ja meine Vertrauensarbeitszeit und dementsprechend musste ich nicht formal reduzieren, sondern ich musste einfach nur von den 70 Stunden, die Frau Kaiser gerade nannte, etwas selbstbestimmt etwas runtergehen. Und ich habe ganz großartige Möglichkeiten in meinem Job ganz, ganz viel von zu Hause zu machen. Also wenn ich jetzt nicht gerade auf Veranstaltungen fahre, als meine Kinder so klein waren, da hatte ich glücklicherweise noch nicht so übermäßig viele Vortragsanfragen, wie das heute der Fall ist. Da ließ sich das dann also machen. Wenn man mich dabei aber gefilmt hätte, dann wäre ich wahrscheinlich der Prototyp von dem etwas abgedrehten Papa mit Baby auf dem Arm und Laptop auf dem Knie gewesen. Aber so ist es dann halt und es ist auch gut gegangen.
Ich würde jetzt zum Schluss gerne noch auf das Thema Arbeitsverdichtung kommen, denn auch das wird ja den Befürwortern der 4-Tage-Woche gerne vorgeworfen, dass ein 5-Tagespensum, an vier Tagen bewältigt, nur mit Arbeitsverdichtung einhergehen wird und dass das die Leute stresst. Was sagen Sie dazu, Herr Weber?
Enzo Weber: Das ist auch wieder so, das kann durchaus eintreten. Man muss das ernst nehmen. Also wenn man ein Modell fährt: Hey Leute, vier Tage, wir zahlen euch das Gleiche und jetzt wird hier gefälligst das Gleiche geschafft, dann ist das ein ganz großes Risiko, was übrigens durch die Studien, die dazu durchgeführt werden, auch nicht ausgeschlossen wird. Also die Prototypstudien zum Beispiel aus Großbritannien, die schauen sich das auf sechs Monate an, da würden Sie Effekte von psychischen Belastungen, die durch Arbeitsverdichtung eintreten, noch gar nicht messen können. Das ist etwas, das langfristig zu starken Schäden führen kann. Umgekehrt kann es übrigens genauso sein, wenn man dann erst mal den neuen Standard etabliert hat, dass die Leute das am Anfang toll finden, aber gut, irgendwann, wenn man die Standards hebt, gewöhnt man sich halt auch daran und dann ist die Unzufriedenheit wieder genauso groß. Auch das muss man wirklich im Auge behalten. Von daher rate ich dazu, solche Studien nicht zu verallgemeinern, sondern man kann sich da was abschauen. Da sind viele tolle Dinge drin, wie vor Ort wirklich Dinge neu geregelt werden unter neuen Arbeitszeiten. Aber man sollte nicht den generellen Schluss daraus ziehen: Jetzt muss jeder nur einfach 4-Tage-Woche machen und das geht dann überall total gut, sondern da muss man sich schon selber drum kümmern.
Frau Kaiser, sehen Sie es genauso?
Anna Kaiser: Ich glaube, auch das ist wieder eine große Chance, dass wir kritisch reflektieren und überlegen, ob wir die Arbeit auch teilweise anders und besser gestalten können. Da sage ich „Work smarter instead of harder“. Ich habe schon gemerkt, dass gerade Leute, die bei uns flexibler gearbeitet haben oder in Modellen mit weniger als fünf Tage die Woche, dass man oft wirklich überlegt, was ist wirklich notwendig, um mein Ziel zu erreichen und mein Pensum zu erfüllen. Wir haben zum Beispiel Pilotphasen gehabt, wo wir 80 Prozent unserer Meetings abgeschafft haben, einfach mal ausgelassen für Wochen und dann geguckt: Was hat uns wirklich gefehlt? Sind wir weniger vorangekommen? Welche Meetings wollen wir weiterhin durchführen und behalten, welche können wir einfach rausstreichen? Also ich glaube, wenn wir ehrlich sind, können wir ganz oft unsere Arbeit auch noch besser und produktiver gestalten, man ist halt einfach oft irgendwie in alten Routinen. Also ich habe das gerade bei Meetings oder bei Besprechungen, die sich so etabliert haben, über Jahre und festgesetzt haben, erlebt, dass wir da noch ganz viel Optimierungsmöglichkeiten haben. Und das ist dann auch eine Chance. Aber man muss es, wie Herr Weber gesagt hat, sehen und hingucken, weil es ist definitiv ein Thema.
Manchmal haben wir die Arbeitsverdichtung schon bei einer 5-Tage-Woche, natürlich, da steckt schon zu viel drin. Und wenn wir dann einfach auf vier Tage runtergehen, dann kann die Unzufriedenheit ziemlich schnell wieder da sein, von dem her ist es sehr, sehr wichtig hinzugucken.
Wie war das denn nach den Wochen des Ausprobierens? Waren Sie dann anschließend wieder bei dem ursprünglichen Meeting-Schema oder ist es tatsächlich weniger gewesen?
Anna Kaiser: Viel, viel weniger. Es ist viel, viel weniger geworden, weil man einfach wirklich reflektiert hat: Was brauchen wir denn wirklich? Oder wie könnten wir es anders organisieren? Weil auch die Meetingkultur oder das viele Besprechen ja auch so ein Anwesenheitsprinzip so ein bisschen fordert: Die Leute müssen da sein, sie müssen sich zu denselben Zeiten zusammenschalten und das geht ja zulasten der Flexibilität der Einzelnen wieder. Von dem her ist es da gut, wirklich hinzugucken. Und das, was Herr Weber vorhin auch meinte und beschrieben hat: Das Wichtige ist wirklich, dass die Leute freier werden im Gestalten und flexibler arbeiten können und sich auf ihre Bedürfnisse einstellen können. Und da ist es sinnvoll, die Arbeitsverdichtung immer wieder zu reflektieren und zu überlegen: Mache ich eigentlich alles optimal oder könnte ich in meinem Team, in meinem Unternehmen noch Dinge optimieren?
Und ich finde, es hilft uns aber zu reflektieren und immer wieder kritisch zu hinterfragen. Schaffen wir es durch unsere technologischen Fortschritte, generell die Fortschritte, die wir überall anstreben, am Ende doch irgendwann endlich, dass die Menschen im Schnitt weniger arbeiten können und wir trotzdem dann bei derselben Wirtschaftsleistung sind, sozusagen. Weil das ist, glaube ich, so ein Ziel, was wir alle haben sollten. Aber was wir auch immer wieder kritisch hinterfragen sollen, denn am Ende geht es darum, dass die Menschen gesund sind, dass sie glücklich sind, dass sie gut leben können und dass wir auch viel Zeit für Ehrenämter, für soziale Dinge haben etcetera. Und das finde ich schon wichtig.
Herr Weber, wie wichtig ist die Wirtschaftsleistung, wenn es um Arbeitszeiten geht?
Enzo Weber: Nun, man hat eine ganz klare Abwägung. Also normalerweise ist es schon so, wenn ich mehr reininvestiere, dann kann ich auch mehr schaffen. Ich kann mich aber auch in der Tat verbessern, ohne immer nur die Arbeitszeit auszuweiten. Von daher ist das genau die Frage: Was sehen wir eigentlich als gesellschaftliches Ziel an? Unser gesellschaftliches Ziel sollte, glaube ich, nicht sein, aus jedem Einzelnen so viel wie möglich Arbeitszeit rauszupressen, um den materiellen Wohlstand zu maximieren.
Aber genauso sollte unser Ziel auch sein, jedem Einzelnen und jeder Einzelnen die maximalen Möglichkeiten zu geben, im Job aktiv zu werden und die Hürden abzubauen. Im Moment geht uns ja nicht die meiste Arbeitszeit verloren aufgrund irgendwelcher flippigen Generation-Z-Debatten oder so, sondern es gibt ganz klare Hürden: Da mangelt es hier bei der Kinderbetreuung, da haben wir da dramatische Fehlanreize bei Minijobs, also was wir uns heute alles noch leisten, was man für die Menschen verbessern könnte - nicht immer nur, um weniger zu arbeiten, sondern für viele auch, um mehr zu arbeiten und das so anzupassen, wie sie es möchten. Das muss man sich überhaupt erst mal anschauen. Und wenn wir diese Wahlmöglichkeiten haben, dann halte ich es für das Allergesündeste, wenn dann auch jeder Einzelne diese Wahlmöglichkeiten nutzt, seine Arbeitszeit für den Lebensabschnitt festlegt und dann damit glücklich wird.
Vielen Dank! Mit der Aussicht auf Wahlmöglichkeiten, Flexibilität und funktionierender Kinderbetreuung und mehr Gleichberechtigung im Arbeitsleben schließe ich diese Folge und bedanke mich bei meinen Gästen. Vielen Dank, dass Sie da waren und bis bald. Tschüss.
Anna Kaiser: Tschüss. Vielen Dank für die Einladung.
Enzo Weber: Gerne, tschüss!