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Selbstständig während Corona – warum Frauen und junge Unternehmen am stärksten betroffen sind

Die Corona-Pandemie hat die Situation für Selbstständige enorm erschwert. Wie diese reagiert haben: die Zahlen im Überblick.

Corona hat die wirtschaftliche Lage für Selbstständige verschärft. Die Folgen der Pandemie treffen vor allem Solo-Selbstständige  hart. Frauen noch stärker als Männer. Und wer vor Kurzem erst gegründet hat, spürt die finanziellen Folgen besonders drastisch. Doch eine Zahl verblüfft: Es sind nicht mehr Unternehmen geschlossen worden, sondern weniger als in den Jahren zuvor.

Corona trifft nicht alle gleich - auch nicht auf dem Arbeitsmarkt. Während Beschäftigte in der Corona-Pandemie nur zu 15 Prozent Einkommensverluste beklagen, müssen mehr als 50 Prozent der Selbstständigen um einen wesentlichen Anteil ihres Einkommens in der Corona-Pandemie bangen (Seebauer/Kritikos/Graeber, 2021). Teilweise liegen die Verluste bei mehr als zwei Dritteln des Vorjahreszeitraumes.

Die wirtschaftlichen Folgen von Corona haben viele (Solo-)Selbstständige stark getroffen. Aufträge, Arbeitszeiten, Verdienste und Einkommen sind allesamt stark eingebrochen, während manche Geschäftsmodelle kurzerhand umgestellt werden mussten, um schlimmeres zu verhindern. Die kurzfristig beschlossenen Maßnahmen der Bundesregierung wie beispielsweise Sofortkredite, Überbrückungshilfen, der vereinfachte Zugang zur Grundsicherung sowie die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht haben die Einkommen von (Solo-)Selbstständigen zwar nicht vollends kompensiert, scheinen aber eine Vielzahl von Unternehmensschließungen vorerst abgewendet zu haben. Das konkrete Ausmaß der Betroffenheit zeigt sich eindrucksvoll bei der Betrachtung einiger Zahlen, die unterschiedliche Studien insbesondere im Laufe des ersten Lockdowns in der Zeit ab März/April 2020 ermittelt haben (Bertschek/Erdsiek, 2020; Kritikos/Graeber/Seebauer, 2020; Seebauer/Kritikos/Graeber, 2021):

5 Fakten über Selbstständige während Corona

Selbstständige Frauen trifft die Covid-19-Pandemie härter
  1.  
     

    Selbstständige Frauen berichten mit 63% überproportional häufig von Einkommenseinbußen, während der Anteil der selbstständigen Männer 47% betrug (Seebauer/Kritikos/Graeber, 2021). Dies ist insbesondere auf Branchen der persönlichen Dienstleistungen – wie beispielsweise das Friseurgewerbe, Gastronomie oder Beherbergung - zurückzuführen, in denen Frauen häufiger arbeiten sowie gleichzeitig stärker von der Pandemie bzw. der benötigten Schutzmaßnahmen betroffen waren.

  2.  
     

    Einhergehend mit Umsatz- und Einkommenseinbrüchen reduzierte sich auch die Arbeitszeit von Selbstständigen während der Pandemie. Jede/r zweite Selbstständige war davon betroffen. Hauptursache waren sowohl die veränderten Öffnungszeiten als auch der Mangel an Nachfrage. Obwohl die Arbeitszeit von abhängig Beschäftigten auch stark zurückging, wurden zumindest die Einkommensverluste durch Kurzarbeiterregelungen deutlich begrenzt (ifo Institut/forsa, 2020).

  3.  
     

    Im Laufe der Corona-Krise hat sich die Anzahl an Selbstständigen, die Leistungen nach dem SGB II  erhalten haben, von April 2020 bis Juli 2021 auf etwa 133.000 deutlich erhöht (Bundesagentur für Arbeit, 2021). Da die meisten Hilfen jedoch nur für kurze Zeit in Anspruch genommen wurden, ist der Bestand an Selbstständigen, die dauerhaft von der Bundesagentur betreut werden vergleichsweise weniger stark von 67.000 im Februar 2020 auf 80.000 im März 2021 angestiegen (Bundesagentur für Arbeit, 2021).

  4.  
     

    Auch mittelfristig sind Konsequenzen zu erwarten: Einer Erhebung aus dem Februar 2021 zur Folge sorgen sich selbstständige Frauen mit 34% häufiger um die Zukunft ihrer Tätigkeit als Männer, die dies in 27% der Fälle berichteten. Damit haben sich die Befürchtungen aus den Anfangsmonaten der Krise verfestigt. Etwa jede/r vierte hauptberuflich Soloselbstständige hielt es zu Beginn der Pandemie für (sehr) wahrscheinlich die Tätigkeit im Laufe des nächsten Jahres aufgeben zu müssen.

  5.  
     

    Die Verbleiberate in der selbstständigen Tätigkeit reduziert sich von 2019 bis Juli 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 11 Prozentpunkte auf 75% (Kritikos/Graeber/Seebauer, 2021). Während sie sich jedoch für Männer bis zum Februar 2021 bei 80% stabilisierte, sank sie für Frauen weiter auf 68%.

Polarisierung bei jungen Unternehmen

Die Corona-Krise betrifft nicht nur bestehende Existenzen, sondern auch diejenigen, die ihre Gründung bereits geplant hatten und somit auf dem Sprung in die Selbstständigkeit waren. Die Hälfte aller potenziellen Gründerinnen und Gründer hat auf Grund der Corona-Pandemie die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit verschoben, jede vierte Gründung sogar auf einen unbekannten Zeitpunkt oder zumindest auf mehr als 12 Monate später (Metzger et al., 2021). Nach einem Anstieg der Gründungsaktivität im Jahr 2019 ist die Zahl an Existenzgründungen im darauffolgenden Jahr um 68.000 auf die niedrigste Gründungsquote  in den letzten 20 Jahren gefallen (KfW-Gründungsmonitor, 2021).

„Wie Selbstständige gut durch die Krise kommen“

Dieses INQA-Themendossier richtet sich an Selbstständige und Kleinstunternehmerinnen und Kleinstunternehmer und gibt Handlungsempfehlungen zur Finanzierung und Existenzsicherung sowie Erfahrungsberichte von anderen Unternehmerinnen und Unternehmern, die versuchen, die Corona-Krise als Chance zu nutzen.

Junge Unternehmen, deren Existenzgründung maximal 5 Jahre zurückliegt und 2020 aufgegeben wurde, geben in 56% der Fälle die Corona-Krise als entscheidenden Grund für das Ende ihrer Tätigkeit an. Generell ist die Betroffenheit junger Unternehmen in Zeiten wirtschaftlicher Turbulenzen höher, da sie sich gerade in den ersten Jahren zunächst auf dem Markt etablieren müssen und deshalb besonders anfällig für ökonomische Krisen sind. Das bewahrheitete sich auch während der Pandemie: Eine Sonderbefragung des IAB-ZEW-Gründungspanels ergab, dass zwar junge und ältere Unternehmen anteilsmäßig gleichermaßen negativ oder positiv betroffen waren, es aber Unterschiede im Hinblick auf die Intensität der Auswirkungen gab. Demnach geben 45% der negativ betroffenen jungen Unternehmen an sehr starke Auswirkungen zu spüren, während es bei allen Unternehmen 30% sind. Das Gleiche gilt für die Unternehmen, die positive Auswirkungen erfahren haben. Auch hier ist der Anteil derer, die im Vergleich zu allen Unternehmen von (sehr) starken Effekten berichten, etwa doppelt so hoch wie bei allen Unternehmen. Ein Teil der jungen Unternehmen scheint demnach stärker zu leiden, während ein anderer – jedoch deutlich kleinerer Teil – besonders stark profitiert. Zu ersterem gehört insbesondere auch die Gruppe der Menschen, deren Gründungen aus der Not aus Mangel an Alternativen stattfanden.

Die Infografik zeigt auf Basis eines IAB-Kurzberichts aus dem Jahr 2021 die Intensität der Auswirkungen der Corona-Krise auf alle Unternehmen, die negativ oder positiv von der Pandemie betroffen waren. Mit 69 Prozent berichtet der Großteil der Unternehmen von negativen Folgen, während mit etwa 10% nur ein geringer Teil positive Effekte spürt. Wird dabei zwischen älteren und jüngeren Unternehmen unterschieden, die jeweils vor oder nach 2016 gegründet wurden, zeigt sich insbesondere für junge Unternehmen eine polarisierende Entwicklung. Sie nehmen sowohl die negativen als auch die positiven Auswirkungen im Vergleich zu allen Unternehmen häufiger stark oder sehr stark wahr.

Allen Existenzgründungen stehen jedes Jahr eine ähnlich große Zahl an Unternehmensaufgaben gegenüber. Der Blick in die Statistiken zeigt: Nicht nur die Anzahl an Gründungen ist gesunken, sondern auch die Anzahl an Unternehmensschließungen. Das gewerbliche Existenzgründungssaldo war demnach trotz Krise zum ersten Mal seit 2011 positiv (Kay / Kranzusch, 2021). Dies dürfte einerseits an Anpassungen der Geschäftstätigkeit - wie beispielsweise der Umstieg auf digitale Vertriebswege -, personalpolitischen Maßnahmen oder dem Rückgriff auf Liquiditätsreserven liegen, andererseits aber auch an den Unterstützungsmaßnahmen der Bundesregierung - wie Zuschüsse, Überbrückungshilfen oder Steuerstundungen -, die besonders dann gewirkt hat, wenn sie rasch gewährt wurden (Stiel et al., 2021). Auch wenn bisher die befürchtete Pleitewelle ausblieb, bleibt die Aufrechterhaltung vieler selbstständiger Tätigkeiten ungewiss, wenn staatliche Eingriffe und Unterstützungsmaßnahmen wieder zurückgefahren werden. Dies betrifft insbesondere die Existenzen, die schon vor der Pandemie in Schwierigkeiten waren und durch die Maßnahmen nicht gezwungen waren ihre Tätigkeit aufzugeben. Wie die Pandemie mittel- und langfristig auf die Bereitschaft zu gründen und selbstständig zu sein wirkt, bleibt abzuwarten.