Aus Langzeitarbeitslosigkeit heraus einen neuen Job zu finden, ist selbst bei guter Arbeitsmarktlage schwierig (Walwei, 2017). Verschiedene Wandlungsprozesse in der Arbeitswelt, vor allem durch technologische Veränderungen und Digitalisierung, erschweren dies zusätzlich. Arbeitsmarktanalysen zeigen, dass die Chance auf Erwerbsintegration mit der Dauer der Arbeitslosigkeit deutlich sinkt (Lietzmann et al., 2018). Bei ihrem Bemühen um die Erwerbsintegration von Langzeitarbeitslosen stehen den Jobcentern unterschiedliche Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik (Kluve, 2013) zur Verfügung, die im SGB II in Verbindung mit dem SGB III geregelt sind.
Zu diesen Instrumenten gehört die öffentlich geförderte Beschäftigung (ÖGB), die auf eine Erwerbsintegration besonders arbeitsmarktferner Langzeitarbeitsloser abzielt. Dabei entstehen aus Steuermitteln Arbeitsmöglichkeiten für Personen, die ohne eine solche Förderung keiner Erwerbstätigkeit nachgehen würden (Knuth, 2017). In der deutschen Arbeitsmarktpolitik hat ÖGB eine längere Tradition;es gab verschiedene Ausprägungen dieses Instruments mit jeweils unterschiedlichen Zielsetzungen und Rahmenbedingungen (Knuth, 2020: Per Achterbahn zum Sozialen Arbeitsmarkt. Sozialer Fortschritt 69 (12), S. 797–824). Öffentlich geförderte Beschäftigungsverhältnisse sollten bislang „zusätzlich“, „im öffentlichen Interesse“ liegend und „wettbewerbsneutral“ sein, was das Spektrum der förderfähigen Arbeitsverhältnisse stark einschränkte. Diese sog. „Schrankentrias“ gilt auch für das Instrument der „Arbeitsgelegenheiten“ nach § 16 d SGB II.
Das Anfang 2019 in Kraft getretenen „Teilhabechancengesetz“ hat die öffentliche Beschäftigungsförderung in Deutschland neu aufgestellt. Auf Grundlage des § 16 i SGB II können nun sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mit maximal fünf Jahren Laufzeit gefördert werden – und zwar ohne Anwendung der „Schrankentrias“. Finanziert werden neben den Lohnkosten ein beschäftigungsbegleitendes Coaching sowie Qualifizierungsmaßnahmen. Eine wichtige Besonderheit dieses „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ genannten Instruments ist, dass es neben Integration in den ersten Arbeitsmarkt ausdrücklich die Förderung der sozialen Teilhabe zum Ziel hat.
Eine umfassende Wirkungsanalyse dieses Instruments ist noch in Bearbeitung (IAB, 2021). Die Ergebnisse der Evaluation eines ähnlich angelegten Vorgängerprogramms des Bundes (IAQ et al, 2019) zeigen aber, dass es mit ÖGB gelingen kann, die soziale Teilhabe vormals Langzeitarbeitsloser signifikant zu erhöhen und auch Übergänge in den ersten Arbeitsmarkt anzustoßen.
In den Wirkungsanalysen wird neben der Zielerreichung auch nach möglichen unerwünschten Effekten von ÖGB gefragt. So besteht das Risiko, dass durch ÖGB auch Personen mit Chancen auf Integration in den ersten Arbeitsmarkt gefördert werden, sie solche Chancen aber im Förderzeitraum nicht wahrnehmen („Lock-In-Effekt“). Um dieses Risiko zu minimieren und die für ÖGB bereitgestellten Mittel zielgerichtet einzusetzen, muss sich die Förderung auf solche Langzeitarbeitslosen konzentrieren, die mittel- bis langfristig sehr wahrscheinlich keine Chance auf einen Job am ersten Arbeitsmarkt haben (Nivorozhkin und Promberger, 2021). Deshalb besteht nur für Personen, die sechs Jahre oder mehr SGB-II-Leistungen beziehen bzw. beschäftigungslos sind, Zugang zum Instrument der „Teilhabe am Arbeitsmarkt“.
Das Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ wurde bei seiner Einführung 2019 zunächst auf fünf Jahre befristet. Aktuell (Februar 2022) sind mit dieser Förderung rund 42.000 zuvor langzeitarbeitslose Personen erwerbstätig (BA, 2022). Im Februar 2021 zog das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Anschluss an die Zwischenergebnisse der Evaluation (IAB, 2021) eine erste positive Bilanz (BMAS, 2021). Im Koalitionsvertrag 2021-2025 wurde angekündigt, “Teilhabe am Arbeitsmarkt” zu entfristen und weiterzuentwickeln. In der laufenden Legislaturperiode wird öffentlich geförderte Beschäftigung also voraussichtlich endgültig ein Regelinstrument der aktiven Arbeitsmarktpolitik werden.